Der Traum vom Pokal lebt in Stuttgart
VfB Stuttgart im DFB-Pokalfinale gegen Arminia Bielefeld – Thomas Hitzlsperger: "Kontinuität war lange ein Fremdwort beim VfB"
- Aktualisiert: 23.05.2025
- 12:14 Uhr
- Martin Volkmar
Im ran-Interview spricht Stuttgarts einstiger Meisterheld und langjähriger Vorstandsboss Thomas Hitzlsperger über die Favoritenrolle im Pokalfinale, die Shootingstars Nick Woltemade und Angelo Stiller sowie die Verdienste von Trainer Sebastian Hoeneß.
Am 19. Mai vor 18 Jahren feierte der VfB Stuttgart euphorisch seinen letzten Meistertitel – dank eines Traumtors von "Hitz the Hammer".
Eine Woche später allerdings folgte die Ernüchterung, als Thomas Hitzlsperger und seine Teamkollegen im DFB-Pokalfinale gegen den 1. FC Nürnberg (2:3 nach Verlängerung) knapp das Double verpassten.
Drei Jahre später verließ der damalige Nationalspieler die Schwaben, ehe er nach dem Ende seiner Spielerlaufbahn 2016 als Funktionär nach Cannstatt zurückkehrte.
Knapp sieben Jahre blieb Hitzlsperger beim VfB, von 2019 bis 2022 als Vorstandsvorsitzender.
Auch nach seinem Abschied hat der 43-Jährige noch beste Kontakte nach Stuttgart und drückt seinem Ex-Verein weiter die Daumen, wie er im Gespräch mit ran verrät.
Vor allem am Samstagabend (ab 20:00 Uhr im Liveticker), wenn gegen Zweitligist Arminia Bielefeld der erste Pokalsieg seit 1997 geholt werden soll.
Das Wichtigste in Kürze
DFB-Pokal-Finale: "Mit Bundesliga-Alltag nicht zu vergleichen"
ran: Am Montag hat sich der Tag zum 18. Mal gejährt, als Sie den VfB am 34. Spieltag der Saison 2006/2007 gegen Cottbus zur Meisterschaft geschossen haben. Das heißt, Neugeborene, die damals von VfB-Fans nach Ihnen benannt wurden, sind jetzt volljährig…
Thomas Hitzlsperger: Ich weiß nicht, ob tatsächlich jemand sein Kind deswegen nach mir benannt hat, nachvollziehbar wäre es (grinst). Ich werde natürlich immer wieder auf dieses Tor angesprochen und ich habe tolle Erinnerungen an den Tag und die gesamte Saison damals. Es war ein großartiges Erlebnis, doch es dominiert nicht mehr meinen Alltag.
ran: Nun steht der VfB erstmals wieder seit 2007 im DFB-Pokalfinale. Ärgern Sie sich eigentlich noch, dass Sie damals gegen Nürnberg verloren haben?
Hitzlsperger: Wir waren alle enttäuscht. Zumal es das erste Double für den VfB gewesen wäre. Deshalb wäre es natürlich überragend gewesen. Aber wir sind in Nürnberg auf einen Gegner getroffen, der uns schon in der Bundesligasaison echte Probleme bereitet hatte. Und die frühe Rote Karte nach einer halben Stunde gegen Cacau hat da auch nicht geholfen, zumal es über 120 Minuten ging.
ran: Damals herrschte eine unfassbare Stimmung in Berlin. Diesmal könnte es ähnlich werden, da gefühlt ganz Bielefeld und Stuttgart in die Hauptstadt reisen.
Hitzlsperger: Ich war immer ein großer Fan des Pokalfinales. Nach meiner aktiven Karriere reiste ich privat fast jedes Jahr nach Berlin, weil die Stimmung so außergewöhnlich ist. Das ist mit dem Bundesliga-Alltag nicht zu vergleichen. Und gerade für Klubs, die nicht Bayern oder Dortmund heißen, ist das Endspiel ein seltenes Erlebnis und deshalb einfach ein Wahnsinn. Aus Stuttgart weiß ich, dass das Finale seit Wochen das allesüberlagernde Thema ist.
ran: Werden Sie auch diesmal da sein?
Hitzlsperger: Ja, ich werde da sein und für "ESPN" arbeiten – und dass ich dem VfB nach wie vor eng verbunden bin; ich glaube, das verstehen auch alle. Trotzdem werde ich das Spiel so kommentieren, wie es von einem Experten zu erwarten ist. Die Arminia-Fans müssen sich also keine Sorgen machen.
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Angelo Stiller? "Da kann man den VfB beglückwünschen"
ran: Die Favoritenrolle ist eindeutig verteilt. Kann da eigentlich etwas schief gehen?
Hitzlsperger: Es ist ja völlig klar, dass der Bundesligist der Favorit ist. Und der VfB hat mit dem Siegen gegen Augsburg und in Leipzig gezeigt, dass die Mannschaft wieder in der Spur ist. Aber Bielefeld spielt eine überragende Saison. Die haben nach dem Aufstieg in die Zweite Liga und dem Erfolg im Halbfinale gegen Leverkusen auch großes Selbstbewusstsein und ich vermute, sie nehmen die Rolle des Außenseiters gerne an. Letztes Jahr im Endspiel zwischen Bayer Leverkusen, die eine außergewöhnliche Saison spielten, und Kaiserslautern als Zweitligist, der knapp den Abstieg vermieden hat, ist es hinten raus auch nochmal eng geworden. Das hätte ich nicht für möglich gehalten, aber Bayer war einfach müde. Ich rechne allerdings nicht damit, dass der VfB diesmal ähnlich einbricht und es nochmal spannend macht. Also ich gehe schon von einem Stuttgarter Pokalsieg aus.
ran: Im Halbfinale beim 3:1 gegen Leipzig traf Angelo Stiller mit einem fulminanten Volleyschuss, bei dem auch Sie sich an Ihren Siegtreffer 2007 gegen Cottbus erinnert fühlten. Wie wichtig wäre sein Einsatz nach seiner Bänderverletzung?
Hitzlsperger: Sehr wichtig. Wie er die Bälle verteilt, wie er sich anbietet, seine Passquote, all das gehört zur Spitzenklasse in der Bundesliga. Da kann man den VfB beglückwünschen, dass sich Stiller unter Sebastian Hoeneß so entwickelt hat.
ran: Ist Nick Woltemade trotzdem Stuttgarts Spieler der Saison?
Hitzlsperger: Ja, finde ich schon. Nick Woltemade muss man hervorheben als den herausragenden VfB-Spieler. Solch einen Spielertyp gibt es nicht allzu häufig; groß gewachsen und dennoch technisch derart versiert. Er war für mich der beste Stuttgarter in dieser Spielzeit und hat es jetzt zu Recht in die A-Nationalmannschaft geschafft. Es hätte mich eher überrascht, wenn er nicht nominiert worden wäre. Ich finde es absolut richtig, weil er sie sich durch seine Leistung verdient hat. Seine Fähigkeiten haben nicht viele in der deutschen Mannschaft, weil er trotz seiner Köpergröße technisch sehr versiert ist.
Hitzlsperger: "Hätte es sehr bedauert, wenn..."
ran: Wie bewerten Sie die Saison des VfB als Neunter nach Platz zwei im Vorjahr?
Hitzlsperger: Generell ist die Entwicklung bemerkenswert, die der Verein in den letzten Jahren genommen hat. Diese Spielzeit mit dem Pokalfinale und einer ordentlichen Platzierung in der Bundesliga war völlig in Ordnung. Insgesamt steht der Verein sehr gut da. Nur in der Champions League hatte ich mit mehr gerechnet, vor allem nach dem starken Beginn in Madrid und dem Sieg gegen Juventus.
ran: Wie wichtig war dafür das Bekenntnis von Sebastian Hoeneß und die Vertragsverlängerung, nachdem unter anderem RB Leipzig an ihm interessiert gewesen sein soll?
DFB-Pokal: Die unterklassigen Klubs im Pokalfinale - Arminia Bielefeld ist Nummer 15
Hitzlsperger: Ich hätte es sehr bedauert, wenn er zu einem anderen Klub gewechselt wäre. Sebastian Hoeneß ist ein Glücksfall für den Verein. Wie er Fußball spielen lässt, wie die Mannschaft die Fans begeistert, das ist keine Selbstverständlichkeit. Von daher hat es mich sehr gefreut, dass er verlängert hat. Zumal das ja auch eine Folgewirkung hat. Wir sehen gerade bei Leverkusen, dass der Abschied eines guten Trainers einen Umbruch im Kader nach sich ziehen kann. Kontinuität tut dem Verein gut – und das war lange ein Fremdwort beim VfB.
ran: Bei Ihrem Abschied 2022 waren die heutigen Stammkräfte Karazor, Millot und Führich bereits im Team. Haben Sie mit einigen Entscheidungen auch Anteil an der Aufwärtsentwicklung des Vereins?
Hitzlsperger: Ich bin da zurückhaltend, denn das wäre anmaßend gegenüber den jetzigen Akteuren. In meiner Zeit als VfB-Vorstandsvorsitzender habe ich alles gegeben. Der Vorstand konnte darauf aufbauen, aber der aktuelle Erfolg ist ausschließlich ihnen zuzuschreiben. Ich bin einfach froh, das jetzt mitverfolgen zu können und auch zu sehen, wie schnell sich Dinge im Fußball ändern können. Ich war in der Saison 2019/20 in der Zweiten Liga mit dem VfB, da war nicht klar, dass der Verein ein paar Jahre später zu den besseren Traditionsvereinen gehören würde. Deshalb ist es toll, dass es wieder nach oben gegangen ist. Besonders für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und all die Fans, die auch die Schattenseiten hautnah miterlebt haben.