Nach schwerer verletzung
Eintracht Frankfurt - Elisa Senß im Interview über Entwicklung im Frauenfußball: "Gibt noch Luft nach oben"
- Aktualisiert: 04.09.2025
- 19:18 Uhr
- Alice Jo Tietje
Bei der Europameisterschaft im Sommer hatte Elisa Senß bei den DFB-Frauen im Mittelfeld eine tragende Rolle. Auch bei Eintracht Frankfurt ist die Nationalspielerin gesetzt. Im Gespräch mit ran sprach die Mittelfeldspielerin über die positive EM-Erfahrung, die Professionalisierung des Frauenfußballs und die Ziele mit ihrem Verein.
Das Interview führte Alice Jo Tietje
Bei den Olympischen Spielen 2024 holte Elisa Senß mit den DFB-Frauen die Bronzemedaille und ist seitdem fester Teil der Nationalmannschaft.
Bei der EM 2025 war sie eine wichtige Akteurin unter Bundestrainer Christian Wück und erzählt im Interview mit ran, was der Besuch von Wolfgang Petry im DFB-Lager ausgelöst hat.
Zudem berichtet die 27-Jährige, wie sie die Entwicklung des Frauenfußballs sieht und wo für sie noch Luft nach oben ist.
Mit ihrem Verein Eintracht Frankfurt spielt die Mittelfeldspielerin nach der Qualifikation für die Champions League in der kommenden Saison in drei Wettbewerben und gibt vor dem Saisonstart (Freitag, 18:30 Uhr gegen die SGS Essen im LIVETICKER) ein klares Ziel aus.
DFB: Elisa Senß erzählt vom Petry-Besuch
ran: Die Pause war kurz diesen Sommer – konnten Sie trotzdem etwas abschalten?
Elisa Senß: Ich hatte nach der Europameisterschaft zwei Wochen Zeit mit meiner Familie und habe ein paar Freunde gesehen – das tat gut. Jetzt freue ich mich aber sehr darauf, dass es wieder los geht. Wir haben viele neue Gesichter dabei, die neuen Schwung mitbringen. Bislang läuft es sehr gut.
ran: Blicken wir nochmal Richtung EM zurück: Erzählen Sie uns von dem Besuch von Wolfgang Petry?
Senß: Den "Wolle" einzuladen, war eine Idee von der Mannschaft. Das war ein sehr geiles Erlebnis, das uns Rückenwind gegeben hat, den wir für die EM nutzen konnten. Es hat einfach Spaß gemacht und war der Vibe, der uns die EM über begleitet hat.
Externer Inhalt
ran: Wie blicken Sie mit ein bisschen Abstand auf die EM zurück?
Senß: Definitiv positiv. Wenn man sich die Spiele vor Augen hält, in welcher Art und Weise wir die bestritten haben, dann bin ich sehr stolz auf das ganze Team. Mit dem Turnier haben wir Fußball-Deutschland gezeigt, was wir können und haben wieder ein Feuer entfacht.
- FC Bayern gewinnt Supercup gegen Wolfsburg
- Jamal Musiala hofft auf Comeback 2025
- Transferzeugnis: So schlagen sich die Bundesligisten
ran: Glauben Sie, dass dieser Hype bleibt?
Senß: Jedes Turnier bringt den Frauenfußball voran. Wir haben gesehen, wie begeistert die Zuschauenden, wie voll die Stadien waren und auch die Einschaltquoten waren sehr gut. Ich gehe davon aus, dass sich das weiterträgt. Man hat bei der letzten EM gesehen, was dadurch ausgelöst wurde und ich glaube, diesen Hype können wir mit in die neue Saison nehmen – auch und ganz besonders bei der Eintracht.
ran: Wie kann man versuchen, diesen Hype auch auf die Liga zu übertragen?
Senß: Viele Fans, die auch in der Liga in die Stadien gehen, waren auch bei der EM. Wir konnten bestimmt noch mehr Stadiongänger für uns gewinnen. Aber es gibt immer noch Potenzial nach oben. Ich hoffe, dass sich alle Vereine weiter professionalisieren, sodass die Bedingungen sich immer weiter verbessern und wir die nächsten Schritte gehen.
ran: Welche Anpassungen meinen Sie?
Senß: Bei Eintracht Frankfurt haben wir hervorragende, professionelle Bedingungen. Für die Gesamtqualität muss es aber an allen Standorten entsprechende Standards geben. Die Spielerinnen sollten überall hauptberuflich Profifußballerinnen sein können, um sich auch voll und ganz auf den Sport fokussieren zu können. Zudem sehe ich auch Rahmenbedingungen wie die medizinische Betreuung als essenziell an. In der Breite gibt es sicherlich noch in manchen Bereichen Luft nach oben.
DFB-Frauen kriegen prominenten Besuch und feiern wilde Schlagerparty
ran: Social Media spielt eine immer größere Rolle – auch bei der Sichtbarkeit. Sehen Sie nur positive Aspekte oder auch negative?
Senß: Definitiv beides. Man merkt, dass wir bei der EM viel mehr Aufmerksamkeit von allen Seiten bekommen haben, aber das bringt natürlich auch ein paar Schattenseiten mit sich. Nicht alle Menschen sind begeistert von dem, was wir tun und die Hass-Kommentare nehmen in Relation auch zu. Gerade bei den Männern sieht man, wie die Spieler nach einem Match zerrissen werden. Da muss man sehr aufpassen. Es sollte niemandem passieren, aber man muss lernen, wie man mit den negativen Aspekten der Aufmerksamkeit umgeht.
ran: Gerade auf Social Media zeigen die Fußballerinnen ihre gleichgeschlechtliche Liebe häufig sehr offen. Bei den Männern ist das weiterhin ein großes Tabuthema. Können Sie sich erklären warum?
Senß: Bei uns ist das ein offenes Thema. Jeder ist voll und ganz akzeptiert, so wie sie ist. Wie es anderswo ist, kann und will ich nicht beurteilen.
ran: Was war Ihr bisher schönster Karrieremoment?
Senß: Das Spiel um Bronze vergangenes Jahr bei Olympia! Das war mein erstes richtiges Turnier mit der Nationalmannschaft - und wer kann sich schon Olympic Medalist nennen? Dafür bin ich sehr dankbar und sehr stolz.
Senß: "Müssen uns nicht verstecken"
ran: Blicken wir auf die bevorstehende Saison. Die Eintracht hat es geschafft, immer wieder oben mitzumischen – auch in der kommenden Spielzeit?
Senß: Ja, unser Ziel ist es, Platz zwei anzugreifen und international zu spielen. Wir müssen uns nicht verstecken. Wir haben die vergangenen Jahre gezeigt, was wir können, sind Herbstmeister geworden und waren sehr knapp davor, den zweiten Platz zu erreichen. Aber klar ist auch, dass wir in der vergangenen Saison schon früh in der Champions League ausgeschieden sind und deshalb ein Wettbewerb früh weggefallen ist. Um in drei Wettbewerben bestehen zu können, muss alles stimmen. Alle Spielerinnen müssen fit bleiben. Das Team muss gut miteinander harmonieren und muss sich gegenseitig auffangen. Wir wollen die Ligaphase in der Champions League erreichen und jeder träumt natürlich vom DFB-Pokal. Es muss natürlich viel passen, um eine Top-Saison in allen Wettbewerben zu spielen, aber das traue ich uns zu.
ran: Sie haben die Veränderungen im Kader angesprochen - es gab viele prominente Abgänge. Risiko oder Chance?
Senß: Das ist normal im Fußball: Menschen kommen, Menschen gehen. Das ist immer eine Tür, die sich schließt, aber auch eine, die sich öffnet. Natürlich werde ich viele Spielerinnen vermissen, aber wir haben eine brutale Qualität und viel Erfahrung bekommen. Ein Umbruch ist immer auch eine Chance für die Spielerinnen, aber auch für den Verein – es gibt einen neuen Schwung.
ran: Welche Rolle haben Sie sich für die kommende Saison vorgenommen?
Senß: So viel ändert sich nicht, auch nicht nur durch das Amt als Vizekapitänin, weil ich auch zuletzt gerne Verantwortung übernommen habe und weiterhin werde. Ich will diese Rolle immer mehr ausfüllen, auf und neben dem Platz. Ich helfe dem Team unglaublich gerne. Auf mich kann man immer zählen, ich gebe immer meine 100 Prozent – auch in der kommenden Saison. Teamerfolg ist aber das, was am Ende ganz oben steht.
ran: Sie werden oft als "Wadenbeißerin oder Kämpferin" gesehen. Stört Sie diese Sichtweise?
Senß: Nein, ich bin damit fein, da ich nicht glaube, dass es negativ gemeint ist. Die Leute sehen ja, was ich mit dem Ball kann und ich weiß es auch. Ich sehe es eher als Push und Kompliment. Zudem ist es eine Eigenschaft, die nicht viele Spielerinnen haben.
ran: Was macht den Standort Eintracht Frankfurt so besonders?
Senß: Der Verein und die Stadt passen perfekt zu meiner Lebenssituation. Es ist immer etwas los, gibt viele Angebote abseits vom Fußball und man kann viel mit der Mannschaft unternehmen. Zudem ist Eintracht Frankfurt ein Verein, der mir sehr viel Sicherheit und Vertrauen gibt. Er steht hinter mir und gibt mir Verantwortung. Diese möchte ich auch zurückgeben. Deswegen passt es perfekt.
ran: Wer wird die herausragende Spielerin in der Bundesliga-Saison?
Senß: Da denke ich zuerst an meine Nationalmannschafts-Kolleginnen – Carlotta Wamser und Franziska Kett, die beide eine brutale EM gespielt haben. Das sind zwei junge Spielerinnen, mit denen zu rechnen ist. Aber auch Gery (Geraldine Reuteler, Anm. d. Redaktion) muss man immer auf dem Schirm haben. Sie hat nicht nur bei der EM, sondern schon in den vergangenen Jahren bei Eintracht Frankfurt performt. Auf sie würde ich immer setzen.