Kommentar
Handball-EM 2024: Das Halbfinale ist für das DHB-Team jetzt Pflicht
- Veröffentlicht: 23.01.2024
- 07:31 Uhr
- Andreas Reiners
Die deutschen Handballer zeigen zur Crunchtime der Heim-EM ein starkes Spiel, besinnen sich dabei auf die wichtigen Tugenden. Deshalb wäre das Halbfinale verdient - ist jetzt aber auch Pflicht. Ein Kommentar.
Aus Köln berichtet Andreas Reiners
Der letzte, entscheidende Impuls kam wohl vom Bundestrainer.
Denn Alfred Gislason zeigte in einer ganz speziellen Ansprache Stunden vor dem so wichtigen Hauptrundenspiel gegen Ungarn noch einmal eine andere Seite.
Juri Knorr verriet auf ran-Nachfrage, dass die Worte des 64-Jährigen bei den deutschen Handballern einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.
"Das hat uns zusammenrücken lassen. Es war eine andere Art der Ansprache. Es war emotional, hat jeden von uns ergriffen und uns daran erinnert, wofür wir das eigentlich machen, warum wir Handball spielen, warum wir hier auflaufen dürfen. Und natürlich haben wir auch für ihn gespielt. Jeder hat für sich, aber auch für den anderen gespielt. Und das haben wir als Team gezeigt."
Und als Team haben sich die deutschen Handballer mit dem überzeugenden 35:28 einen Matchball für das Halbfinale bei der Heim-EM erspielt und verdient. Weil die Mannschaft zur Crunchtime des Turniers die Kurve bekommen und sich auf die wichtigen Tugenden besonnen hat.
Das Wichtigste in Kürze
Die richtigen Handgriffe
Gislason und Co. wussten nach dem Österreich-Spiel, was die Stunde geschlagen hatte. Weshalb vor dem Ungarn-Spiel nur individuelles Training im Kraftraum anstand, ansonsten exzessives Videostudium. Drei, vier Sessions waren es, verriet der Bundestrainer, hinzu kam seine emotionale Ansprache.
Es waren ganz offensichtlich essenzielle Punkte, es war der richtige Ton, die passende Vorbereitung, es waren die nötigen Handgriffe, um den Knoten rechtzeitig zu lösen.
Die Kampfbereitschaft war in diesem Turnier noch nie das Problem, die Moral auch nicht. Doch gegen die Ungarn trotzte das Team dem immensen Druck auf imposante Art und Weise, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und brachte einen höchst emotionalen Faktor in das eigene Spiel mit rein.
Und eine Aggressivität, einen Willen, der in der Hauptrunde erstmals den Eindruck erweckte, dass das Team auch vom Kopf her endlich im Turnier ist und die Aufgabe endgültig angenommen hat. Was dann für eine deutlichere Leichtigkeit beim Spielerischen sorgte, für ein wachsendes Selbstbewusstsein.
Und für eine Symbiose mit dem fanatischen Kölner Publikum, die über die kompletten 60 Minuten spürbar war. Wirkte die Wucht der Arena zuvor streckenweise auch als Bürde, war sie nun durchweg der erhoffte Antrieb, um sich aus dem Loch zu befreien.
Externer Inhalt
Erst gestrauchelt, jetzt in der Spur
Erst die erwartbare Niederlage zum Gruppenphasen-Ausklang gegen Frankreich, dann der mühsame Erfolg gegen Island, der grausame Auftritt gegen Österreich - die DHB-Auswahl wackelte, strauchelte, suchte verzweifelt den Faden, blieb aber in der Spur und kann nun durchstarten.
Nein, sie muss es natürlich.
Ein Erfolg gegen bislang sieglose und bereits ausgeschiedene Kroaten ist Pflicht, das Halbfinale bei dieser Konstellation ein absolutes Muss. Denn zur Klasse einer Mannschaft gehört es nicht nur, aus Fehlern zu lernen, sich zusammenzuraufen und selbst aus dem Schlamassel zu ziehen, sondern auch, die eigens erarbeitete Vorlage zu nutzen und die Früchte der Arbeit zu ernten.
Und das wäre eben der letzte, noch fehlende Schritt in das Halbfinale. Das Erreichen des selbst gesteckten Ziels. Die Pflicht, bevor die Kür folgen kann. Dann gegen die Dänen, das steht bereits fest.
Man muss aber auch erwähnen: Wenn es so richtig gut läuft und die Konkurrenz mitmacht, könnte der Einzug in die Finalrunde am Mittwoch bei Siegen von Island gegen Österreich und Frankreich gegen Ungarn theoretisch bereits vor dem Spiel gegen Kroatien feststehen.
Aber auch das wäre dann hochverdient.