Formel 1
Formel 1 - Christian Danner im Exklusiv-Interview: Mick Schumacher könnte deutsche Motorsport-Geschichte schreiben
- Aktualisiert: 02.11.2024
- 18:09 Uhr
- Andreas Reiners
Der frühere Formel-1-Fahrer Christian Danner spricht im ran-Interview über lächerliche Strafen, Vorteile im Titelkampf, die Zukunft von Mick Schumacher und die gravierenden Audi-Probleme.
Das Interview führte Andreas Reiners
Einmal durchatmen. Kurz sammeln, und dann wieder durchstarten.
Nach der rund vierwöchigen Verschnaufspause geht die Formel 1 am Wochenende mit dem USA-GP in Austin (Sonntag, ab 21:00 Uhr im Liveticker) endgültig in die heiße Phase des Titelkampfes. Max Verstappen gegen Lando Norris, Red Bull Racing gegen McLaren – Zeit für den Showdown in der Königsklasse.
Sechs Rennen sind es noch, dazu drei Sprints, die ja auch Punkte bringen. Daher ist der Vorsprung von Titelverteidiger Verstappen auf seinen Verfolger Norris mit 52 Zählern vielleicht nicht ganz so komfortabel, wie er sich anhört.
Trotzdem hat der frühere Formel-1-Fahrer Christian Danner einen Favoriten, wie er im ran-Interview verrät. Und er hat auch eine klare Meinung zu der Möglichkeit, dass Mick Schumacher 2025 für Sauber bzw. Audi fahren könnte. Dass sich die Verantwortlichen mit dem Deutschen beschäftigen, hatte Audis F1-Projektleiter Mattia Binotto jüngst bestätigt.
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Doch wie sieht der RTL-Experte die Zukunft von Schumacher und Audi? Wem gehören seiner Meinung nach in dem Duell Verstappen vs. Norris die Vorteile, welchen Einfluss haben die Nebenkriegsschauplätze bei Red Bull und Verstappen und wie nervenstark sind Norris und McLaren?
Das Wichtigste in Kürze
Danner: Verstappen-Strafe ist lächerlich
ran: Christian Danner, das F-Wort ist in der Formel 1 in aller Munde. Wie unterhaltsam finden Sie die Diskussionen?
Christian Danner: Die Diskussion ist völlig in Ordnung. Darüber kann man sich herrlich aufregen. Man kann das lächerlich finden. Die Diskussion ist aber gar nicht so dumm, denn bei einer Pressekonferenz muss man nicht herumfluchen. Dass man das im Auto anders macht, ist eine andere Geschichte. Aber grundsätzlich ist es nicht so blöd, wenn man mal darauf hinweist, dass sich Verstappen und Co. in einer PK anders ausdrücken sollten. Trotzdem ist es irgendwie nicht zeitgemäß, denn darüber regt sich wirklich keiner mehr auf.
ran: Tut sich die Formel 1 damit einen Gefallen?
Danner: In der Formel 1 gibt es den kommerziellen Rechteinhaber FOM. Für die FOM ist es American Sports Business. Je mehr da geflucht wird und je mehr Skandale es gibt, desto besser. Und die Sportbehörde FIA achtet darauf, dass sich die Jungs nicht gegenseitig die Reifen aufschlitzen. Deshalb prallen da zwei Welten aufeinander. Für die einen ist es lustig, amüsant, gerade recht und gut fürs Geschäft. Und die anderen sagen: 'Es ist meine Aufgabe, für einen sportlichen Umgang untereinander zu sorgen.' Und da gehört das andauernde Fluchen nicht dazu.
ran: Finden Sie die Sozialarbeit als Strafe angemessen?
Danner: Die Strafe für Verstappen ist lächerlich. Vor allem den Weg dahin finde ich nicht in Ordnung. Man hätte viel früher mal über das Thema reden können, anstatt das gleich so zu regeln. Das war sehr undiplomatisch.
ran: Glauben Sie, dass Max Verstappen tatsächlich einen Rücktritt in Erwägung ziehen könnte, wie er das angedeutet hat?
Danner: Seine Grundmeinung ist, dass er in der Formel 1 nicht uralt werden wird. Das Ganze spielt aber jetzt insofern keine Rolle, weil er voll im Saft ist, generell einen Riesenspaß hat an seinem Beruf und außerordentlich erfolgreich ist. Damit ist diese Diskussion vom Tisch. Außerdem sind schon wieder ein paar Tage ins Land gezogen. Da wird sich sein Gemüt abgekühlt haben.
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ran: Wie störend sind solche Nebenkriegsschauplätze für ihn im Titelkampf?
Danner: Ganz grundsätzlich dürfte ihm das egal sein. Aber man darf nicht vergessen, dass so etwas Kraft und Energie kostet, und die braucht er im Titelkampf. Er sollte vermeiden, sich auf eine Auseinandersetzung mit der FIA einzulassen, denn das wird ihm Kraft und Energie rauben, die er braucht, um den Titel zu verteidigen. Dass das schiefgehen kann, haben wir in der Geschichte der Formel 1 schon öfters erlebt.
ran: Hinzu kommt die Dauer-Unruhe bei Red Bull. Welche Rolle kann die noch spielen?
Danner: Der Einfluss auf Max ist eine Sache, aber dieses doch deutlich sichtbare Durcheinander bei Red Bull hat klare Folgen auf die technische Abteilung, auf die Weiterentwicklung. Da ist Unruhe im Gebälk und es obliegt Teamchef Christian Horner, da wieder Ruhe und Ordnung reinzukriegen. Auch wenn es schwierig für ihn persönlich ist aufgrund der Vorfälle, aufgrund des Umfeldes, was alles auf ihn eingeprasselt ist mit Abgängen von Ingenieuren, von Teammanagern und so weiter. Und natürlich auch aufgrund der angespannten Situation in der WM. Er ist gefordert, er ist der Einzige, der dieses Thema lösen kann, denn er ist für sein Team verantwortlich.
Norris und McLaren nervenstark genug?
ran: Glauben Sie, dass er dazu in der Lage ist und Red Bull den sportlichen Turnaround schaffen kann?
Danner: Ja, ich glaube, dass er durchaus in der Lage dazu ist. Ob ihm das auf die Schnelle gelingt, ist aber schwer abzusehen. Auch wenn das für den Titelkampf essenziell sein wird.
ran: Sind denn Lando Norris und McLaren auf der anderen Seite nervenstark genug? Immerhin dürfen die sich keine großen Ausrutscher mehr leisten…
Danner: In den vergangenen Rennen hat es schon mal ganz gut geklappt. Dass es bei Norris und dem Team ein paar Schwachstellen gibt, ist klar, aber ich glaube, dass sie sich inzwischen so zusammenreißen, dass sie in der Lage sind, den Druck bis zum letzten Rennen aufrecht zu erhalten, und darum wird es gehen. Max versucht, seinen Vorsprung ins Ziel zu retten und die anderen versuchen verzweifelt, ihn in einen Fehler zu treiben und mit Speed und Performance vorne wegzufahren.
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ran: Erwarten Sie, dass es auf der Zielgeraden zwischen Verstappen und Norris Zoff oder Psychospielchen geben wird?
Danner: Die beiden werden das erst einmal auf der Rennstrecke austragen. Aber die psychologische Kriegsführung war immer schon ein Teil des Ganzen. Ich kann mir vorstellen, dass sie, wenn es wirklich eng wird, in diese Trickkiste greifen werden. Denn so gut sich beide privat verstehen, auf der Strecke sind sie Gegner. Und in Sachen 'Kriegsführung' sehe ich die Vorteile bei Max.
ran: Welche Rolle spielen die Teamkollegen Oscar Piastri und Sergio Perez?
Danner: Perez wird wahrscheinlich überhaupt keine spielen, weil er oft nicht einmal in der Nähe der Musik ist. Piastri mischt vorne mit. Er wird sicherlich eine sehr loyale Rolle spielen. Er hat dadurch einen gewissen Einfluss auf den Titelkampf.
Danner: Vorteile gehören Verstappen
ran: Wem gehören auf der Zielgeraden unter dem Strich die Vorteile?
Danner: Verstappen. Weil er der Abgeklärtere der beiden ist, weil er älter, schon mehrmaliger Weltmeister ist, weil er einen Punktevorteil hat, weil er mit einer unglaublichen Gelassenheit und Rennintelligenz an diese Situation herangeht. Er hat sehr schnell begriffen, dass es nichts bringt, wenn er immer noch weiter Druck macht, weil er unbedingt gewinnen will. Es kommt jetzt sehr darauf an, inwieweit Red Bull unter Umständen nochmal technische Fortschritte macht. In Austin haben wir Klarheit, denn mehr ist an Weiterentwicklung danach nicht zu erwarten.
ran: Welche Schritte erwarten Sie?
Danner: Ich glaube nicht, dass es einen riesigen Unterschied geben wird. Doch es wird auch sehr darauf ankommen, wer zwischen den McLaren und Verstappen ins Ziel kommt. Das dürfte für die WM mit entscheidend sein. Ist der Ferrari gut genug? Kriegt der Mercedes es endlich auf die Reihe? Können die schneller fahren als ein Verstappen?
ran: 52 Punkte Vorsprung sind es für Verstappen. Wird das letztendlich für ihn reichen?
Danner: Ich halte das immer noch für den wahrscheinlichsten Ausgang: Es bleibt spannend und eng, aber Verstappen rettet das Ding mit Mühe ins Ziel.
IndyCar-Empfehlung für Mick Schumacher
ran: Mick Schumacher könnte für 2025 kein Cockpit bekommen. Helmut Marko meinte, dass es das dann war mit der Formel 1. Was denken Sie: Wäre es das für Schumacher?
Danner: Ja, das ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Ich würde mir wünschen, dass der Mick vernünftig ans Rennen fahren kommt, doch ich sehe nicht, dass das in der Formel 1 im Moment passiert. Deshalb sollte er in die USA gehen und IndyCar fahren. Dort kann er sich mit sehr guten Leuten messen und dort hat er eine richtig große Chance, weil alle dasselbe Auto fahren. Er könnte dann auch ein Stück deutsche Motorsportgeschichte schreiben, Erfolg und vor allem Spaß haben. Es gibt viele glückliche Rennfahrer, die nicht Formel 1 fahren.
ran: Gibt es weitere Rennserien, die man empfehlen kann?
Danner: Die DTM wäre ein fürchterlicher Abstieg. Das kann man nebenher machen oder am Ende seiner Karriere, aber nicht jetzt. In der WEC, wo er im Moment fährt, teilt er sich das Auto mit zwei anderen. Das ist gut und macht Spaß, aber es ist eine ganz andere Welt.
ran: Und die Formel E? Pascal Wehrlein hat ja hervorgemacht, dass man dort als Ex-F1-Fahrer erfolgreich sein kann…
Danner: Die Formel E ist eine Option. Sie ist allerdings wahnsinnig speziell. Da braucht man einige Zeit, bis man sich eingegroovt hat. Es ist eine tolle Meisterschaft mit tollen Rennen, aber es ist nicht jedermanns Sache.
Danner: Bottas "ist die einzig richtige Entscheidung"
ran: Schumacher hat allerdings noch eine Chance bei Audi, wie Mattia Binotto bestätigte. Könnten Sie es nachvollziehen, wenn es am Ende wie teilweise spekuliert Valtteri Bottas oder generell ein älterer Fahrer werden würde?
Danner: Das ist die einzig richtige Entscheidung. Wenn ich als Hersteller anfange, im Dunkeln herumzutappen, kann ich mir nicht auch noch zusätzlich einen jungen Fahrer leisten. Das kann ich machen, wenn ich so etabliert bin, dass ich diesem jungen Fahrer auch eine Chance bieten kann. Sie sind im Moment Vorletzter und Letzter werden das auch im nächsten Jahr sein. Dann einen jungen Fahrer ins Cockpit zu setzen, ist Käse. Damit verbrennst du ein Talent. Bottas macht seinen Job. Der bringt alles mit, was er mitbringen muss. Und schnell genug ist er allemal.
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ran: Würde sich Schumacher mit Audi also gar keinen Gefallen tun?
Danner: Natürlich nicht. Wenn Mick dort fahren würde, dann ist er definitiv Letzter. Er kommt dann quasi vom Regen in die Traufe. Das macht keinen Spaß und ist nichts, was einen jungen Fahrer weiterbringt. Das wäre der endgültige Sargnagel, vor allem wenn er auch an Nico Hülkenberg nicht vorbeikommt. Ganz nüchtern betrachtet, hat er Mick Schumacher 'gekillt', als er zu Haas kam und Kevin Magnussen in Grund und Boden gefahren hat.
ran: Es gibt nicht wenige, die sagen, dass es wichtig ist, einen Fuß in der Formel 1 zu haben. Damit er sich zeigen kann, wenn auch auf einem anderen Niveau.
Danner: Ja, und dann fährt er ein oder zwei Jahre hinterher und dann will ihn niemand mehr. Dann ist er endgültig raus. Dann hat er zwei Jahre verschwendet, in denen er woanders eine tolle Karriere hätte aufbauen können.
ran: Hat Schumacher mit Haas als Einstiegsteam und Steiner als Teamchef viel Pech gehabt oder fehlen ihm einfach tatsächlich Prozente für die Formel 1?
Danner: Wenn man die Formel 2 gewinnt, hat man seinen Platz in der Formel 1 verdient. Punkt. Wie man dann in der Formel 1 zurechtkommt, kommt natürlich sehr darauf an, inwieweit man mit den Begebenheiten, mit dem etwas raueren Umfeld, mit dem eisigen Gegenwind der Konkurrenz klarkommt. Und da hat Schumacher zumindest nicht brilliert. Trotzdem bin ich der Meinung, dass er noch eine Chance in der Formel 1 verdient hätte. Nur nicht bei Audi.
Audi? "Wird jeden Tag ein schwierigeres Unterfangen"
ran: Wie sehen Sie die Situation dort generell?
Danner: Das wird jeden Tag ein schwierigeres Unterfangen. Es hat sich in Hinwil nichts geändert. Nichts. Deswegen kann man nur sagen: viel Glück.
ran: Glauben Sie, dass möglicherweise schneller der Stecker gezogen wird, als alle glauben?
Danner: Wenn ein Unternehmen wie der Volkswagen-Konzern mit verschiedenen Marken derartig ins Trudeln gerät, würde es mich wahnsinnig wundern, wenn man frohen Mutes in die Formel 1 einsteigt. Denn der Konzern hat ganz andere Sorgen als noch hunderte von Millionen in der Formel 1 auszugeben. Und das alles auch noch mit sehr wahrscheinlich außerordentlich überschaubaren Erfolgsaussichten. Ich bin immer noch der Meinung, dass es super ist, dass Audi die Formel 1 macht. Aber wenn ich mir die Situation des Konzerns anschaue, würde es mich wundern, wenn das alles einfach so weitergeht.
ran: Hülkenberg kann die Entscheidung nicht mehr rückgängig machen. Wie zermürbend ist es für einen Fahrer, wenn man sportlich chancenlos ist?
Danner: Im Tagesgeschäft ist das eine Sisyphusarbeit. Aber Nico hat eine lange Karriere hinter sich und lässt sich diese Karriereverlängerung bei Audi wahrscheinlich gut bezahlen. Und deswegen wird er diese Herausforderung positiv angehen. Und es wird ihm gelingen, nicht der Frustration zu verfallen. So gut kenne ich ihn.