Bundesliga
Bayer Leverkusen trennt sich von Trainer Erik ten Hag: Armutszeugnis auch für die Bosse - ein Kommentar
- Aktualisiert: 01.09.2025
- 14:22 Uhr
- Chris Lugert
Erik ten Hag ist bei Bayer Leverkusen bereits nach zwei Monaten Geschichte. So nachvollziehbar diese Entscheidung auch sein mag, so wirft sie ein ganz schlechtes Licht auf die Führungsetage des Klubs. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Diese altbekannte Weisheit drückt in Kurzform eine Situation aus, in der eine Fehlentwicklung zur Not auch schmerzhaft und radikal beendet werden muss, anstatt sie weiterlaufen und den Schaden immer größer werden zu lassen.
Offenbar hat Bayer Leverkusen eine Fehlentwicklung auf der Trainerposition erkannt, obwohl Erik ten Hag erst zwei Monate im Amt war. Am Montag wurde der Niederländer nach nur drei Pflichtspielen bereits wieder entlassen, in der Bundesliga startete der Klub mit nur einem Punkt aus zwei Partien im Niemandsland der Tabelle.
Doch die Probleme gingen offenkundig über reine Ergebnisse hinaus. "Wir haben zu viele Leute, die sich nur mit anderen Sachen beschäftigen. Wir haben zu viele, die sich nur mit sich befassen. So sah das Spiel auch aus: Jeder hat für sich gespielt", sagte etwa Kapitän Robert Andrich nach dem 3:3 bei Werder Bremen.
Das Remis im Norden war über weite Strecken ein Offenbarungseid. Vor allem die Schlussphase, als Bayer in Überzahl agierend eine 3:1-Führung aus der Hand gab, war erschreckend. "Ich will nicht alles schlechtreden, aber bis zum 3:1 war das auch schon Not gegen Elend", stellte Andrich fest.
Eine Breitseite des verlängerten Armes des Coaches auf dem Feld, die tief blicken ließ.
Bayer Leverkusen: Erik ten Hag eckte massiv im Klub an
Dass die Bosse der "Werkself" dennoch so früh das Vertrauen verlieren, spricht Bände darüber, dass die internen Querelen schon länger andauern. Das geht auch aus der offiziellen Pressemitteilung hervor, die der Klub am Montag verschickt hat.
"Niemand hat sich diesen Schritt gewünscht. Doch die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass der Aufbau einer neuen und erfolgreichen Mannschaft in dieser Besetzung nicht zielführend gestaltet werden kann", wird etwa Geschäftsführer Sport Simon Rolfes zitiert.
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Nach ran-Informationen gab es von Beginn der Zusammenarbeit an massive Probleme im persönlichen Miteinander. Mit seiner Art soll ten Hag frühzeitig im gesamten Klub angeeckt sein, sowohl bei Spielern als auch bei den Bossen und anderen Mitarbeitern.
Gleichzeitig stellte sich beim Niederländer wohl eine zunehmende Frustration über die zahlreichen Abgänge im Team ein. Sportlich wiederum war in den bisherigen Spielen nicht erkennbar, wohin die Reise von Bayer gehen soll. Leverkusen und ten Hag - das war auf mehreren Ebenen ein klassisches Missverständnis.
Rolfes und sein Vorgesetzter Fernando Carro haben die Verantwortung für den Klub und deshalb ist es nachvollziehbar, dass sie frühzeitig reagieren, wenn derartig eklatante Probleme erkennbar sind. Doch wirft dieser Schritt auch auf die beiden selbst kein gutes Licht.
Denn dass ten Hag ein durchaus streitbarer Charakter und kein klassischer Menschenfänger ist, ist in der Branche kein Geheimnis. Dabei ist es besonders in einem Team, das einen derartigen Umbruch zu bewältigen hat, entscheidend, möglichst schnell aus vielen neuen Teilen eine Einheit zu formen.
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Bayer Leverkusen: Druck auf Rolfes und Carro wächst
Ten Hag war dafür der falsche Mann, und das hätten Rolfes und Carro voraussehen müssen. Das schnelle Scheitern des Trainers ist somit auch eine klare Niederlage für das Führungsduo der "Werkself" und setzt vor allem Rolfes als sportlich Verantwortlichen unter Druck.
Eine weitere derartige Fehlentscheidung kann sich Bayer nicht erlauben. Zumal unerklärlich ist, warum die Auswahl des Trainers zuvor nicht deutlich gründlicher durchdacht war. Der Abgang von Xabi Alonso stand schon vor Ende der Vorsaison fest, Zeit gab es also genug.
Lange galt Cesc Fabregas als Wunschlösung - schließlich konzentrierte man sich zu sehr auf den Spanier, der letztlich in Como blieb, und verzockte sich damit. Am Ende gingen die Kandidaten aus und ten Hag schien die fachlich beste Lösung zu sein. Doch es war nicht die Lösung, die Bayer gebraucht hat.
VIDEO: Rolfes erklärt ten Hag Aus und räumt Fehler ein
Bereits nach der Auftaktniederlage gegen die TSG Hoffenheim machten Medienberichte die Runde, dass die Bayer-Oberen verwundert wären, nicht den versprochenen Offensivfußball und auch ganz grundsätzlich keine Philosophie im neuen System unter dem Niederländer erkennen zu können.
Eben diese Überraschung wirft Fragen auf, wie die Leverkusen-Bosse sich überhaupt für ten Hag entscheiden konnten. Denn in der Gesamtbetrachtung fiel auch das Fazit bei seinem vorherigen Klub Manchester United negativ aus. Auch bei den "Red Devils" waren die Erwartungen groß, mit seinem Spielstil und gerade auch bei der Spielerentwicklung enttäuschte ten Hag aber bereits bei der seit Jahren strauchelnden englischen Top-Mannschaft.
Die Warnzeichen waren also überdeutlich da - eigentlich. Und nun muss Leverkusen diese absolut vermeidbare und kolossale Fehleinschätzung eben teuer bezahlen.
So schwierig es auch ist, noch einmal einen Glücksgriff wie Alonso zu landen - schafft es Rolfes nicht, einen passenden Trainer zu finden, droht Bayer mit diesem zusammengewürfelten Kader ohne Hierarchie der Absturz. Und sämtliche Errungenschaften der vergangenen Jahre hätten nur noch statistischen Wert.
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob der Schrecken in Leverkusen ein Ende gefunden hat - oder ob er jetzt erst so richtig beginnt.