Bundesliga
FC Bayern: Wie Kompany das Pressing verändert hat - und wo Probleme drohen
- Aktualisiert: 18.09.2024
- 18:24 Uhr
- Justin Kraft
Unter Vincent Kompany presst der FC Bayern München wieder höher, aggressiver und auch mit mehr Risiko. Was gegen Kiel und andere Gegner bisher aufging, bedarf in den kommenden Wochen eventuell der einen oder anderen Anpassung. Über Chancen und drohende Probleme.
Nach sieben Minuten war die Partie für Holstein Kiel eigentlich schon beendet. Nachdem Lewis Holtby den Ball im Spielaufbau verlor, hatte Harry Kane einfaches Spiel. 2:0 für den FC Bayern München. Es folgten noch vier weitere FCB-Treffer, am Ende stand es 6:1 für die Gäste.
Doch dieses zweite Tor des Rekordmeisters steht wie kaum ein anderes für die Veränderungen, die der neue Trainer Vincent Kompany vorgenommen hat. Vier Bayern-Spieler setzen den Aufbau der Kieler in deren Strafraum unter Druck, drei weitere schieben von hinten aggressiv nach. Holtby wird aggressiv angelaufen, trifft die falsche Entscheidung und Bayern hat den möglichst kurzen Weg.
Ein Detail aber fällt vielen entweder gar nicht auf oder erst nach mehreren Wiederholungen: Dayot Upamecano verfolgt Shuto Machino. Der 24-Jährige bietet sich im zentralen Mittelfeld an, lässt sich dafür tief fallen – und wird vom Innenverteidiger des FC Bayern bis fast an den Kieler Strafraum verfolgt. Holtby will Machino anspielen.
Am Ende ist es nicht Upamecano, der den Ball gewinnt, sondern Gnabry, der dazwischengrätscht. Doch der Franzose wäre da gewesen, um den Druck hochzuhalten. Eine Situation, die man nicht oft sieht.
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Kompany aber setzt auf Mannorientierungen und lässt diese sehr strikt umsetzen. So strikt, dass Spieler plötzlich auf Positionen auftauchen, die sie selbst im Training nur selten zu Gesicht bekommen.
FC Bayern: Gegensatz zu Thomas Tuchel
Gerade im Vergleich zu Vorgänger Thomas Tuchel ist das eine sehr drastische Veränderung. Der Deutsche legt großen Wert auf Kontrolle und Positionsdisziplin. Auch mit ihm gab es mal Phasen des höheren Pressings, nie aber mit so viel Risiko, dass gleich mehrere Spieler in fremden Positionen auftauchten.
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Nun aber pressen die Bayern Mann gegen Mann und wenn das bedeutet, dass der Innenverteidiger seinem Spieler bis in die gegnerische Hälfte folgt, dann scheint Kompany das durchziehen zu wollen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Bayerns Druck auf Kiel war enorm und die Orientierung ist auf dem Papier recht simpel.
Spieler folgen ihren Gegenspielern, in der Theorie gibt es kaum noch offene Räume. Vergleicht man die Elf von Kiel mit der des FCB, dann gibt es im Eins-gegen-eins-Vergleich keinen Kieler, der individuell besser wäre als ein Münchner. Die Mannorientierungen können also als simpler Weg betrachtet werden, die individuelle Klasse auszuspielen.
Und es ging auf. Allen drei frühen Gegentoren gingen eklatante Fehler der Heimmannschaft voraus. Kiel konnte dem Druck nicht standhalten.
FC Bayern: Dominanz durch Laufarbeit?
Den Bayern gelang damit ein Blitzstart, den sie so schon länger nicht mehr hatten. Gerade im Bundesliga-Alltag war es in den vergangenen Jahren häufig ein Problem, dass Spiele gegen Underdogs zu lange eng und offen waren. Ein Energiesparmodus wie in der zweiten Halbzeit gegen Kiel war meist nicht möglich.
Mit Blick auf die englischen Wochen kann das sehr wichtig sein. Zumal ein mannorientiertes Pressing auch hohe Laufbereitschaft erfordert. Mit rund 355 Kilometern zählen die Bayern aktuell laut "kicker" zu den laufstärksten Teams der Liga. Fünf Kilometer mehr als Leverkusen, fast zehn mehr als der BVB.
Das unterstreicht den höheren Aufwand, den der Rekordmeister betreibt. Kompany bekommt intern derzeit viel Lob für die neue Energie, die zu spüren ist. Aber richtig interessant wird es jetzt erst.
FC Bayern: Die Nachteile des neuen Ansatzes
Denn auch wenn das mannorientierte Pressing zuletzt gut funktioniert hat, ist vollkommen unklar, wie gut die Bayern damit gegen Mannschaften zurechtkommen, die über mehr fußballerische und spielerische Qualität verfügen. Der absolute Gradmesser wird wohl das Spitzenspiel gegen Bayer 04 Leverkusen am 28. September sein.
Aber auch danach geht es rund für den FCB: Es folgen die Duelle mit Aston Villa (A), Eintracht Frankfurt (A), dem VfB Stuttgart (H) und Barcelona (A). Wochen der Wahrheit, wie es im Fußball so schön heißt.
Die Nachteile des mannorientierten Anlaufens konnten auch schon vom SC Freiburg oder eben Kiel aufgezeigt werden – wenngleich die ganz große Bestrafung ausblieb.
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So war Upamecano beim 1:5-Treffer der Störche weit aufgerückt, weil er wieder mal einem Gegenspieler gefolgt ist. Auch auf dem Flügel stand der eingewechselte Konrad Laimer sehr hoch. Die Bayern hatten den Ball eigentlich gewonnen, verloren ihn jedoch recht schnell wieder.
Kiel schaltete schnell, spielte den Ball erst in die Lücke, die Laimer hinterließ und flankte später in den Strafraum, wo Min-jae Kim nicht entsprechend unterstützt wurde. Erobert die Mannschaft von Kompany den Ball bei dieser Art Pressing nicht oder wird gar überspielt, drohen große Schwierigkeiten. Insbesondere dann, wenn Spieler in Positionen verteidigen, die sie nicht gut genug kennen.
Vincent Kompany muss womöglich anpassen
Mit Blick auf das, was jetzt demnächst ansteht, muss Kompany deshalb womöglich nochmal nachjustieren und sich die Frage stellen, ob gerade die ohnehin zu individuellen Fehlern neigende Innenverteidigung nicht überfordert damit sein könnte, wenn Gegner sich aus dem Druck lösen und dann mit Platz auf sie zulaufen.
Die Fehleranfälligkeit im eigenen Ballbesitz wird zwangsläufig immer wieder zu Szenen führen, wie sie in Kiel auch abseits des Gegentreffers hier und da zustande kamen. Eine Möglichkeit für Kompany wäre es ja auch, einen Spieler wie Joao Palhinha noch stärker als defensive Absicherung zu nutzen. Vorn könnte man dann mit Risiko anlaufen und hinten hätte man zusätzlich zu den beiden Innenverteidigern einen zweikampfstarken Spieler zur Unterstützung.
Zwar könnten die Bayern dann nicht mehr Mann gegen Mann verteidigen, doch die Abwehr wäre vielleicht stabilisiert. Ursprünglich dachten viele, dass Palhinha genau für diesen Aufgabenbereich verpflichtet wurde. Doch auch der Portugiese tauchte im Pressing und in eigenem Ballbesitz häufig am gegnerischen Strafraum auf.
Dass die Bayern wieder deutlich aktiver spielen, scheint ihnen Auftrieb zu geben. Insofern machen sich die Änderungen von Kompany bisher bezahlt. Mit dem Start der Champions League und dann auch immer besseren Gegnern in der Bundesliga wird sich allerdings zeigen müssen, ob der FCB das in dieser extremen Form durchziehen kann, ohne die Kontrolle zu verlieren.