FC Bayern München vs. FC Arsenal
Champions League - Shkodran Mustafi im Interview: "Arsenal wird Bayerns Fehler eiskalt ausnutzen"
- Veröffentlicht: 17.04.2024
- 10:58 Uhr
- Martin Volkmar
Im Interview mit ran spricht der frühere deutsche Nationalspieler Shkodran Mustafi über die Schlüssel für den Champions-League-Kracher zwischen dem FC Bayern München und seinem Ex-Klub FC Arsenal (ab 21 Uhr im Liveticker auf ran.de).
Das Interview führte Martin Volkmar
Für Shkodran Mustafi gab es vergangene Woche im Emirates Stadium ein großes Wiedersehen.
Viereinhalb Jahre stand der Weltmeister von 2014 beim FC Arsenal unter Vertrag und gewann in dieser Zeit zweimal den FA-Cup.
Mit fünf Akteuren, die beim 2:2 im Hinspiel gegen den FC Bayern München zum Einsatz kamen, spielte der Verteidiger noch unter dem heutigen Trainer Mikel Arteta zusammen.
Bei ran erklärt der 32-Jährige unter anderem, welchen Vorteil er beim deutschen Rekordmeister sieht, mit welcher taktischen Herangehensweise der "Gunners" er rechnet, wie man Flügelflitzer Bukayo Saka stoppt und ob er nochmal auf den Platz zurückkehren wird.
ran: Herr Mustafi, Sie haben von 2016 bis 2021 für Arsenal gespielt und waren beim Hinspiel als TV-Experte vor Ort. Wie eng ist Ihre Bindung noch?
Shkodran Mustafi: Im Verein hat sich natürlich einiges geändert nach meinem Abgang Anfang 2021. Die wichtigsten Positionen sind dennoch die gleichen geblieben. Mikel Arteta war im letzten Jahr mein Trainer, Edu Gaspar Sportdirektor. Und ich kenne noch den ein oder anderen aus dem Staff, also insgesamt sind da schon noch sehr viele bekannte Gesichter. Jetzt beim Hinspiel mal seit langem wieder zurück zu sein im Stadion an alter Wirkungsstätte, wo ich die längste Zeit verbracht habe in meiner Karriere und es nach wie vor eine enge Bindung gibt, war schon etwas Besonderes.
ran: Wie blicken Sie auf Ihre Zeit bei den "Gunners" zurück?
Mustafi: In den ersten drei Jahren habe ich praktisch alle Spiele gespielt. Danach lief es unter Unai Emery ein bisschen schlechter, weil er mich weniger in der Premier League einsetzen wollte und mehr in der Europa League. Mit Mikel Arteta in meinem letzten Jahr war es wieder sehr erfolgreich für mich persönlich, weil er mich erneut zum Stammspieler gemacht hat. Eine Zeit lang sah es auch nach einer Vertragsverlängerung aus, es gab auch schon Gespräche. Dann kam leider eine Verletzung dazwischen, wo ich operiert werden musste und längere Zeit ausgefallen bin. Das war so ein bisschen der "Genickbruch" aus sportlicher Sicht, weil dann die Vertragsgespräche abrupt aufgehört haben.
Das Wichtigste zur Champions League
ran: Ziehen Sie trotzdem ein positives Fazit?
Mustafi: Auf jeden Fall, ich habe in diesen viereinhalb Jahren extrem viel gelernt. Den Druck, den man in England hat, habe ich sonst so nirgendwo empfunden. Man lernt, damit umzugehen und in jedem Spiel 100 Prozent abzuliefern. Und gerade zum Schluss unter Arteta habe ich vor allem taktisch noch sehr viel dazu gelernt, weshalb ich ein Riesenfan von ihm bin. Weil er mir nochmal einen komplett anderen Blick auf den Fußball gegeben hat. Aber es war natürlich vorher auch eine unglaubliche Erfahrung, unter Arsene Wenger zu spielen, der Arsenal über 22 Jahre geprägt hat. Das war für meine Entwicklung auf und neben dem Platz Gold wert.
Faktor Erfahrung ein Nachteil für Arsenal?
ran: Bei der letzten Champions-League-Teilnahme ist die Mannschaft 2017 im Achtelfinale mit zwei 1:5-Klatschen gegen den FC Bayern ausgeschieden, Sie standen in beiden Spielen auf dem Platz…
Mustafi: Ja, das hat damals super viel Spaß gemacht…
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Vielleicht fehlt ihnen ein bisschen die Erfahrung.
Shkodran Mustafi, über Arsenal
ran: Welche Erinnerungen haben Sie daran und sehen Sie irgendwelche Parallelen?
Mustafi: Das waren komplett andere Mannschaften, sowohl bei Arsenal als auch bei Bayern. Das ist schon seit vergangener Saison anders, seitdem ist die Mannschaft auf dem Niveau der absoluten Topklubs. Damals waren wir nicht auf Augenhöhe mit den Bayern. Arteta hat sehr viel verändert und das Team auf ein ganz anderes Level gebracht, sie haben eine extreme Entwicklung gemacht. Vielleicht fehlt ihnen allerdings ein bisschen die Erfahrung, gerade in einem Champions-League-Viertelfinale gegen einen Gegner wie den FC Bayern.
ran: Könnte die Erfahrung dann ein entscheidender Faktor werden?
Mustafi: Ja, das fehlt bei Arsenal etwas. Insgesamt hat die Mannschaft sehr wenig Champions-League-Einsätze, mit Ausnahme von Zinchenko und Gabriel Jesus, die vorher bei Manchester City waren, sowie Jorginho und Havertz, die den Wettbewerb mit Chelsea gewonnen haben. Andererseits glaube ich, dass die Strukturen und die taktischen Vorgaben von Arteta die fehlende Erfahrung ein bisschen wettmachen.
ran: Sie haben Arteta schon als Hauptverantwortlichen für Arsenals Aufschwung gewürdigt. War es letztlich entscheidend, dass trotz der schwachen ersten Saison mit Platz acht am Ende an ihm festgehalten wurde?
Mustafi: Arsenal hat in der ersten vollen Saison unter Arteta 20/21 als Achter erstmals seit vielen Jahren den internationalen Wettbewerb verpasst. Das war natürlich ein Tiefpunkt für den Klub. Doch in der Zeit hat der Verein Arteta vom Coach zum Manager gemacht und gezeigt, dass die Verantwortlichen wirklich hinter diesem Projekt stehen. Und das, obwohl in der englischen Presse sehr viel Druck entstanden ist und viele schon mit seinem Rauswurf gerechnet hatten. Aber sie haben an ihm festgehalten und das war im Nachhinein nicht nur Gold, sondern sozusagen Diamanten wert – wenn das die Stufe darüber ist.
Arteta oder Tuchel - wer gewinnt das Trainerduell?
ran: Woran machen Sie das abgesehen von den Ergebnissen fest?
Mustafi: Er hat nicht nur die Mannschaft auf dem Platz weiterentwickelt, sondern auch die Strukturen im Verein verändert. Jetzt ist zum ersten Mal nach langer Zeit auch wieder ein Zusammenhalt zu spüren, von den führenden Positionen bis hin zur Mannschaft und den Fans. Ich habe das Emirates Stadium noch nie so laut erlebt wie gegen Bayern München.
ran: Trotzdem ist das Hinspiel aus Arsenal-Sicht nicht optimal verlaufen. Danach hat Matthias Sammer Thomas Tuchel eine taktische Meisterleistung attestiert. Wie wird Arteta im Rückspiel reagieren?
Mustafi: Ich weiß nicht, ob das Trainerduell jetzt an Tuchel gegangen ist. Ich glaube, auch Arteta lag nicht so falsch mit seiner taktischen Herangehensweise. Trotz der Niederlagen vorher ist Bayern immer noch Bayern. Die individuelle Qualität, die sie haben, kann immer wieder aufblitzen, gerade bei solchen Spielen. Vermutlich hat Arsenal die Bayern etwas offensiver erwartet und hatte stattdessen auch nicht so viele Räume wie erhofft. Aber wenn White alleine vor Neuer früh das 2:0 macht, wäre das Spiel in eine andere Richtung gegangen. Von daher muss sich Arsenal vor allem vorwerfen, dass sie danach zwei Gegentore bekommen haben. So können wir uns immerhin auf ein spannendes Rückspiel freuen.
ran: Wird diesmal Arsenal die Mannschaft sein, die wie die Bayern im Hinspiel eher tief steht. Gegen Manchester City haben sie so ein 0:0 ermauert.
Mustafi: Ich glaube aber nicht, dass das von Arsenal so geplant war, City hat sie einfach so stark unter Druck gesetzt. Und ich gehe auch davon aus, dass sie in München nicht so defensiv auftreten werden. Bei den Spielern konnte man nach dem Spiel heraushören, dass sie sehr unzufrieden mit dem Ergebnis und dem Spielverlauf waren. Deshalb erwarte ich, dass Arsenal von der ersten Minute an ins Pressing geht, um kurze Wege zum Tor zu haben. Das ist genau ihr Spiel.
ran: Wäre das nicht sogar ein Vorteil für Bayern? Wenn sie selber nicht das Spiel machen müssen, waren sie meistens besser in dieser Saison.
Mustafi: Das ist für Bayern aber nur dann gut, wenn sie dem Pressing von Arsenal standhalten. Und sie haben ja in dieser Saison nicht viele Spiele gehabt, wo sie hinten fehlerlos waren. Gerade im Aufbauspiel sind da immer wieder Fehler passiert und die wird Arsenal eiskalt ausnutzen. Zumal man auch sagen muss, dass Bayern durch die Ausfälle von Kingsley Coman und Serge Gnabry ein Stück weit die Spieler fehlen, die die Tiefe nutzen und Arsenal aufgrund ihrer Schnelligkeit auskontern könnten.
Zwei Spiele ohne Sieg: Arsenal in der Formkrise
ran: Arsenals Defensive hat im Hinspiel nicht den sichersten Eindruck gemacht, vor allem Torhüter Raya ist teilweise heftig kritisiert worden. Nun gab es in der Premier League auch noch eine 0:2-Heimpleite gegen Aston Villa. Kommt die Formkrise zur Unzeit?
Mustafi: Natürlich kommt das zur ungünstigsten Zeit. Jetzt ist Crunch Time, jetzt geht es um alles, da willst du keine Punkte liegen lassen. Aber daran wächst eine Mannschaft auch. Letzte Saison hat Arsenal als Spitzenreiter am Ende acht Punkte Vorsprung eingebüßt und die Meisterschaft noch verspielt. Ich bin gespannt, ob Arsenal daraus gelernt hat und ob sie diesmal standhalten.
ran: Was glauben Sie?
Mustafi: Ich glaube, dass wir in München sehen werden, ob Arsenal als Mannschaft gewachsen ist, ob aus der jungen Mannschaft eine richtige Männermannschaft geworden ist, die diesen Druck aushält. Wenn sie in der Champions League rausfliegen sollten, wäre das auch in der Liga eine richtige Stress-Situation für das Team. Und umgekehrt wäre man durch einen Halbfinal-Einzug sicher auch im Titelrennen in der Premier League mit ManCity und Liverpool beflügelt. Also für Arsenal steht am Mittwoch sehr viel auf dem Spiel.
Tuchel-Nachfolger beim FC Bayern München: Ralf Rangnick zweifelt offenbar
ran: Bukayo Saka hat die Bayern-Abwehr im Hinspiel phasenweise schwindelig gespielt. Sie haben mit ihm bei Arsenal noch zusammengespielt – wie kann man ihn stoppen?
Mustafi: Indem man ihn am besten gar nicht erst an den Ball kommen lässt. Arsenal spielt unheimlich gerne sehr direkt und schnell nach vorne. Und da versuchen sie die Flügelspieler zu finden, Saka rechts und Martinelli oder Trossard links. Deshalb muss Bayern den direkten Weg dahin mit dem ersten Pass zumachen. Das wird als taktische Marschroute entscheidend sein, denn im eins-zu-eins sind Spieler wie Saka kaum noch aufzuhalten. Zumal er sich auch im Abschluss stark verbessert hat und auch mit rechts erfolgreich abschließt, während er früher nur mit links gefährlich war.
Mustafi: "Sehe Arsenal als leichten Favoriten"
ran: Wie ist Ihr Tipp, wer kommt weiter?
Mustafi: Ich bin natürlich nicht ganz unparteiisch und habe ein bisschen die Arsenal-Brille auf. Ich glaube, dass die Mannschaft unheimlich viel Qualität hat und einen Trainer, der sehr gut ins Spiel eingreift, wie er im Hinspiel mit seinen genau richtigen Wechseln bewiesen hat. Von daher sehe ich Arsenal als leichten Favoriten aufs Weiterkommen.
ran: Abschließend zu Ihnen: Sie haben zuletzt die Champions League als Experte kommentiert und werden in dieser Rolle auch bei der EM arbeiten. Sieht man Sie auch nochmal auf dem Platz wieder?
Mustafi: Ich habe immer noch ein bisschen mit meinen Verletzungen zu kämpfen und bin noch nicht wieder bei 100 Prozent. Ich hoffe und wünsche mir natürlich, noch mal zu spielen, aber das muss sich erst zeigen, ob mein Körper nochmal mitmacht. Darauf habe ich im Moment auch noch keine Antwort.