Die Stimmung beim nächtlichen Bankett im noblen Teamhotel "The Landmark" war bestens. "Das ist das wahre Gesicht des FC Bayern", erklärte Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen:
"Das wollen wir von euch, liebe Mannschaft, noch viel, viel öfter sehen! Dann muss sich jeder in Europa vor uns in Acht nehmen. Natürlich lebt heute der Traum weiter."
Der Traum von einer Rückkehr ins Londoner Stammhotel des Rekordmeisters, wo schon 2013 der Triumph über Borussia Dortmund gefeiert wurde, zum Champions-League-Finale am 1. Juni im Wembley-Stadion.
Mit der starken Vorstellung beim 2:2 im Viertelfinal-Hinspiel bei Arsenal hatten nach den jüngsten Pleiten des FCB gegen den BVB und Aufsteiger Heidenheim auch die wenigsten gerechnet. "Totgesagte leben länger", meinte Dreesen dazu.
Und so sahen es auch die internationalen Beobachter. "Die Champions League hat Tuchels Team verwandelt", kommentierte etwa die spanische "Marca".
ran hat die Lehren aus der packenden Partie im Emirates Stadium zusammengefasst.
Noch ist gar nichts entschieden
Die Begegnung hätte in beide Richtungen kippen können, am Ende blieb es aber beim leistungsgerechten Unentschieden. "Die Ausgangslage ist klar: Der Gewinner kommt weiter", meinte Thomas Tuchel.
Dass dies aber trotz der Unterstützung der am Dienstagabend schmerzlich vermissten Bayern-Fans in der Allianz Arena nicht zwingend der Gastgeber sein wird, war dem Trainer auch klar.
Denn Arsenal ist nach einer bislang herausragenden Rückrunde nicht ohne Grund Tabellenführer der stärksten Liga der Welt und hat offensiv unter anderem mit dem starken Bukayo Saka herausragende Waffen, um den Bayern jederzeit sehr weh zu tun.
Defensiv sind die "Gunners" dagegen anfällig, was neben dem Heimvorteil ein entscheidender Trumpf sein kann. "Wir brauchen die gleiche Hingabe, Leidenschaft und Qualität wie heute, dann kommen wir weiter", zeigte sich Tuchel zuversichtlich.
Externer Inhalt
Dieser Inhalt stammt von externen Anbietern wie Facebook, Instagram oder Youtube. Aktiviere bitte Personalisierte Anzeigen und Inhalte sowie Anbieter außerhalb des CMP Standards, um diese Inhalte anzuzeigen.
Tuchel erreicht das Team doch noch
Die Diskussion um einen vorzeitigen Rauswurf des strauchelnden Trainers hatte vor der Partie nochmal massiv an Fahrt aufgenommen, doch in London beeindruckte er auch die Experten.
"Wir sollten auch mal unseren deutschen Trainer loben, der hat so viel auf die Nuss bekommen", sagte Matthias Sammer bei "Amazon Prime" und lobte dessen großen Anteil an der "wahrscheinlich besten Leistung in dieser Saison": "Das war eine taktische Meisterleistung."
FC Arsenal vs. FC Bayern: Die Noten zum Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League
Offensichtlich kann der bereits als "Lame duck" abgestempelte Tuchel sein Team doch noch erreichen, zumindest wenn es auf allerhöchstem Niveau darauf ankommt.
Der Chefcoach machte im Emirates vieles richtig, wenngleich auch nicht alles. So hätte das Festhalten am überforderten Alphonso Davies beinahe ins Unglück geführt. Und Tuchels Wutrede gegen Schiedsrichter Glenn Nyberg nach dem Abpfiff zeigte einmal mehr, wie leicht er sich über vermeintliche Nebenkriegsschauplätze aufregen kann statt sich zu fokussieren.
Trotzdem fühlte sich auch Sportchef Max Eberl in der Rückendeckung für Tuchel bis Saisonende bestätigt: "Dass die Mannschaft und der Trainer zusammenpassen, wenn man funktioniert, das hat man heute wieder gesehen. Chapeau vor der Leistung des Trainers mit der Mannschaft."
Anzeige
Anzeige
De Ligt ist die klare Nr. 1 in der Defensive
Phasenweise galt Matthijs de Ligt in dieser Saison nur noch als Innenverteidiger Nummer vier und als Verkaufskandidat, wenn Tuchel geblieben wäre. Doch der Niederländer hat in den vergangenen Wochen eindrucksvoll bewiesen, wie wichtig er mit seiner Routine und seinem schnörkellosen Spiel für die Münchner Defensive sein kann.
Im Londoner "Hexenkessel" überzeugte de Ligt mit seinem kompromisslosen Auftritt und gab der verunsicherten Mannschaft zusammen mit Kapitän Manuel Neuer im Tor Sicherheit und Stabilität.
Einzig der späte Ausgleichstreffer schmälerte seine Leistung, als er gegen Vorlagengeber Jesus zu spät kam. Gleichwohl ist de Ligt in dieser Verfassung als Abwehrchef gesetzt.
Davies ist ein Sicherheitsrisiko
Der Kanadier läuft schon seit Wochen seiner Form hinterher, weshalb es rätselhaft ist, warum Tuchel Davies in der Startelf seinem "Wunschtransfer" Raphael Guerreiro vorzieht. Das gilt umso mehr gegen Gegner auf Augenhöhe, bei denen Davies vor allem defensiv links in der Viererkette gefordert ist.
Saka spielte seinen Gegner vor allem in der ersten Halbzeit phasenweise schwindelig, bei beiden Gegentoren war Davies mitverantwortlich. In dieser Verfassung ist der 23-Jährige, der nach wie vor mit einem Wechsel zu Real Madrid liebäugelt, ein Sicherheitsrisiko.
Im Rückspiel wird Tuchel die Entscheidung allerdings abgenommen, denn da wird Davies wegen seiner Gelben Karte nach Foul an Saka gesperrt zuschauen müssen.
Kane ist Bayern Lebensversicherung
Für den Kapitän der englischen Nationalmannschaft war es eine besondere Rückkehr in seine Heimatstadt und zu dem Klub, der ihn als Achtjähriger aussortierte.
Seitdem hat Kane regelmäßig für Erzrivale Tottenham Hotspurs gegen Arsenal getroffen und auch im Bayern-Dress blieb er beim Elfmeter zur zwischenzeitlichen Münchner Führung eiskalt.
Damit hat der 29-Jährige mit 15 Toren die meisten Treffer aller gegnerischen Spieler im Emirates Stadium erzielt und baute seine überragende Bayern-Quote auf 39 Tore in 37 Pflichtspielen aus.
Champions League: Bayern-Duelle mit Arsenal - Spektakel und Klatschen für die "Gunners"
Dementsprechend bekam Kane von Dreesen auf dem Bankett ein Sonderlob für seinen "wahnsinnig coolen" Elfmeter: "Danke dafür, Harry!"
Bayerns Lebensversicherung blieb hinterher gewohnt bescheiden, gab aber zu, dass die Aussicht auf die Rückkehr nach London zum großen Finale eine Extramotivation für ihn sei.
Anzeige
Die Rückkehrer könnten Bayerns großes Pfund in der Champions League werden
Nach Wochen, in denen sich Bayerns Startelf auch in der Offensive aufgrund zahlreicher Verletzungen meist fast von alleine aufstellte, konnte Tuchel in London wieder mal aus dem Vollen schöpfen.
Und das zahlte sich aus. Denn die wiedergenesenen Leroy Sane und Serge Gnabry (beide ran-Note 2) zeigten eine überzeugende Vorstellung und waren an allen Treffern beteiligt. Und der eingewechselte Kingsley Coman hätte zum Matchwinner werden können, traf aber kurz vor Schluss nur den Pfosten.
Zudem saßen Thomas Müller, Mathys Tel und Eric Maxim Choupo-Moting, die allesamt ihr Qualitäten als Joker schon unter Beweis gestellt haben, nur auf der Ersatzbank. Gute Voraussetzungen also für Tuchel in der entscheidenden Saisonphase – wenn das Verletzungspech nicht anhalten dürfte.
Denn der eben erst zurückgekehrte Gnabry musste verletzt ausgewechselt werden und dürfte mit einem Muskelfaserriss wohl erneut zwei bis drei Wochen ausfallen,