Abschied vom Aushilfs-Helden
Sven Ulreich beim FC Bayern München: Keine Chance gegen Manuel Neuers Hausmacht
- Aktualisiert: 28.10.2023
- 10:33 Uhr
- Martin Volkmar
Sven Ulreich zeigt auch beim Sieg des FC Bayern in Istanbul eine tadellose Vorstellung, doch auf eine Kampfansage Richtung Manuel Neuer wird man vergeblich warten.
Aus Istanbul berichtet Martin Volkmar
Auch in der Stunde des Triumphs blieb Sven Ulreich der gewohnte Leisetreter.
"Ich kenne meine Rolle beim FC Bayern. Manu hat sich jetzt zurückgekämpft und daher freue ich mich für ihn, weil es ein langer Weg war", sagte die nominelle Nummer 2 des FC Bayern nach dem 3:1 in der Champions League bei Galatasaray Istanbul über Manuel Neuers geplante Rückkehr:
"Wenn Manu am Wochenende spielen sollte, dann wird er ein gutes Comeback geben und dann freue ich mich für ihn. Dann werde ich mich wieder auf die Bank setzen."
Gut möglich, dass Ulreichs starker Auftritt im unfassbaren lauten Hexenkessel am Bosporus für längere Zeit sein letzter gewesen ist.
Champions League
Denn Neuer scharrt spätestens seit der Rückkehr ins Mannschaftstraining mit den Hufen und könnte Samstag in Darmstadt erstmals nach knapp elf Monaten Zwangspause wieder spielen.
FC Bayern: Eigentlich kein Grund für Torwartwechsel
Dabei gibt es aktuell eigentlich gar keine Notwendigkeit für Thomas Tuchel, im Tor einen Wechsel vorzunehmen. Während sich vor allem die Defensive aufgrund der zahlreichen Ausfälle derzeit praktisch von alleine aufstellt, herrscht im Tor ein Überangebot.
Denn auch der im Sommer verpflichtete israelische Nationaltorwart Daniel Peretz (23) hofft zumindest mittelfristig auf eine Chance hinter den "Oldies" Neuer (37) und Ulreich (35).
Doch vorerst scheint es, als ob die Hackordnung schon bald wieder ähnlich zementiert sein wird wie seit Neuers Wechsel nach München 2011. Der 2015 als klarer Backup verpflichtete Ulreich, damals immerhin Stammkeeper beim VfB Stuttgart, hat sich über die Jahre in der Reservistenrolle eingerichtet.
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Auf Ulreichs Kampfansage wartet man vergeblich
Auch jetzt, wo er zum zweiten Mal nach der Saison 2017/18, als Neuer lange wegen eines Fußbruchs ausfiel, einen hervorragenden Stellvertreter abgibt, wartet man auf jegliche Kampfansagen vergeblich.
"Natürlich freut man sich immer, wenn man spielt. Und es ist dann immer schade, wenn man wieder auf der Bank sitzt", gab Ulreich immerhin zu. "Aber ich habe nicht darüber nachgedacht, dass es mein letztes Spiel sein könnte."
Statt Worten lässt der gebürtige Schwabe seit Wochen ohnehin Taten sprechen. In der Champions League in Kopenhagen, zuletzt in der Liga in Mainz sowie auch am Dienstagabend im Istanbuler Rams Park verhinderte er gleich mehrfach mit herausragenden Paraden Gegentore für die nach wie vor anfällige Bayern-Abwehr.
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In anderen Vereinen wäre Neuer der Herausforderer
Ulreich hat aktuell einen Lauf, strahlt Sicherheit und Souveränität aus und könnte in dieser Form sicher noch länger das Münchner Tor hüten. In anderen Vereinen wäre das vermutlich auch der Fall, der lange verletzte frühere Stammtorhüter wäre der Herausforderer und müsste sich dann seinen Platz zurückerobern.
So wie beispielsweise bei Pokalsieger RB Leipzig, wo sich der einstige Kapitän Peter Gulacsi auch nach überstandenem Kreuzbandriss hinter seinem in Abwesenheit überzeugenden Vertreter Jannis Blaswich einreihen muss.
Manuel Neuer ist beim FC Bayern unantastbar
Doch bei Bayern gehen die Uhren anders, Neuer ist nach über einem Jahrzehnt beim Rekordmeister mit unzähligen Titeln und noch mehr Glanztaten selbst nach seines langen Ausfalls wegen eines im Skiurlaub erlittenen schlimmen Beinbruchs unantastbar.
Auch nach dem Rauswurf seines persönlichen Vertrauten und Torwarttrainers Toni Tapalovic unter Ex-Coach Julian Nagelsmann verfügt der Spielführer weiter über eine enorme Hausmacht im Klub, inklusive der vollen Unterstützung von Uli Hoeneß.
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Mit einem Wechsel im Tor würde Tuchel allerdings faktisch das Leistungsprinzip außer Kraft setzen statt Neuer weiter Zeit zu geben und sich erst wie vermutlich bei den meisten anderen Teams nach der Vorbereitung auf die Rückrunde festzulegen.
Noch bremst Tuchel den ehrgeizigen Neuer
Immerhin bremst der Trainer den bekanntlich äußerst ehrgeizigen Neuer, der eigentlich schon in Mainz sein Comeback feiern wollte. Auch nach dem Spiel in Istanbul ließ Tuchel den Zeitpunkt des Wechsels offen. "Wir werden erst mit Manu reden", sagte er dazu nur bei "Prime Video".
Derweil hat Ulreich in jedem Fall in den vergangenen Wochen durch Leistung und Auftreten extrem viele Sympathiepunkte bei den Fans, den Bossen, dem Coach und den Mitspielern gesammelt.
"Natürlich ist die Freude immer da, wenn ein Torwart wie Manu zurückkommt. Aber ich muss sagen, dass Ulle das in den letzten Wochen überragend gemacht hat. Er macht seine Arbeit, ist immer konzentriert und professionell", erklärte Abwehrchef Matthijs de Ligt in Istanbul.
Und Joshua Kimmich meinte: "Sven hat heute wieder überragend gehalten und auch schon vorher sehr viele Punkte gesichert."
Ulreich dürfte mit Vertragsverlängerung belohnt werden
Dabei sah es zu Beginn des Jahres und auch in der Sommerpause noch ganz anders aus. Ulreich, der nach einem wenig erfolgreichen einjährigen Intermezzo bei Zweitligist Hamburger SV 2021 nach München zurückgekehrt war, hatte offenbar nicht mehr das volle Vertrauen der Verantwortlichen.
Daher holte man im Januar Yann Sommer für acht Millionen Euro Ablöse aus Mönchengladbach als Neuer-Vertreter und suchte nach dessen Abschied Richtung Inter Mailand lange und am Ende vergeblich den nächsten namhaften Keeper, war sich mit dem jetzt bei Real Madrid spielenden Spanier Kepa sogar schon weitgehend einig.
Stattdessen übernahm Ulreich zu Saisonbeginn wieder den Platz im FCB-Gehäuse und dürfte für seine treuen Dienste nun zumindest mit einer Verlängerung seines nach der Saison auslaufenden Einjahresvertrag belohnt werden. Wenn alles normal läuft, dann allerdings wieder als Bankdrücker.