Wie Ralf Rangnick den österreichischen Fußball umkrempelt
Aktualisiert: 21.11.2023
14:42 Uhr
Christoph Gailer
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Mit Österreichs Nationalmannschaft qualifizierte sich Ralf Rangnick souverän für die EM 2024. Dennoch hatte er in Österreich von Beginn an prominente Kritiker. Der Erfolg gibt Rangnick aber nahezu uneingeschränkt recht, vor allem auch die Art und Weise der Spiele.
Für die einen ist er der bislang fehlende Hoffnungsträger des österreichischen Fußballs, für die anderen der arrogante, deutsche Fußball-Besserwisser.
Ralf Rangnick hat es als ÖFB-Teamchef auch nach fast anderthalb Jahren nicht immer leicht, was aber weniger an ihm und seinen klar ersichtlichen Erfolgen liegt, sondern vielmehr an festgefahrenen Seilschaften im österreichischen Fußball.
Denn vor dem Duell zum Jahresabschluss gegen sein Heimatland Deutschland (ab 20:45 Uhr im Liveticker) könnte Rangnicks Bilanz - realistisch gesehen - kaum besser sein.
Nur fünf seiner bisherigen 17 Spiele als ÖFB-Coach verlor er, qualifizierte sich mit Österreich souverän für die EM 2024. Dadurch hat sich Rangnicks Vertrag automatisch bis 2026 verlängert.
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Klare Leitlinie: Mutiges Pressing - egal, gegen wen
Fußballerisch läutete der 65-Jährige seit seinem Amtsantritt Mitte 2022 neue Zeiten beim ÖFB ein.
Nach fünf Jahren fußballerischer Magerkost unter Vorgänger Franco Foda setzte Rangnick bei der Nationalmannschaft klare Leitlinien, die schon zuvor bei seinen Stationen in Leipzig und Hoffenheim zu großem Erfolg führten.
Mit mutigem und hohem Pressing sollte das ÖFB-Team als Aushängeschild des Landes nicht nur erfolgreich, sondern auch wieder attraktiver spielen.
Einen Vorgeschmack darauf gab es sofort beim Rangnick-Debüt im Juni 2022, beim 3:0-Sieg auswärts beim damaligen Vize-Weltmeister Kroatien.
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Rangnick nimmt wohl sogar Einfluss auf die Flyer-Gestaltung
Zwar waren die Ergebnisse unter Vorgänger Foda größtenteils auch schon positiv, aber eben geprägt von verhältnismäßig großer Vorsicht, selbst gegen fußballerisch deutlich limitiertere Gegner.
Damit war unter Rangnick recht schnell Schluss, zur Freude der österreichischen Fußballfans, die sich nach langweiligen Foda-Ergebnisfußball endlich wieder nach Attraktivität im Spiel sehnten.
Und auch ansonsten soll Rangnick, der mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattet wurde, im Kreis des österreichischen Fußballverbandes kaum etwas dem Zufall überlassen. Gerüchten zufolge nimmt der gebürtige Backnanger sogar Einfluss auf die Gestaltung der Flyer für die Länderspiele.
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Ex-RB-Mastermind erntet Früchte der Aufbauarbeit
Für den Wunsch nach mehr Attraktivität - nicht nur bei den Spieltags-Flyern - hat der ÖFB mit Rangnick aus heutiger Sicht genau den richtigen Mann verpflichten können.
War es schließlich er selbst, der einst als Sportdirektor von Red Bull Salzburg dort schon sehr erfolgreich seine Fußballphilosophie umsetzte und den Klub zu einer der Topadressen Europas in Sachen Talente-Entwicklung formte.
Nun, mit einigen Jahren Verzögerung, erntet Rangnick als ÖFB-Teamchef quasi die Früchte seiner Salzburger Aufbauarbeit. Denn mittlerweile kann Österreich in Salzburg und auch Leipzig auf zahlreiche Spieler setzen, die das Rangnicksche Pressing-Konzept quasi schon mit der Muttermilch aufgesaugt haben.
Dazu zählen heutige Bundesliga-Stars wie Konrad Laimer (FC Bayern), Xaver Schlager, Niclas Seiwald (beide RB Leipzig) oder Marcel Sabitzer (Borussia Dortmund) - sie alle wurden nach den Ideen von Rangnick in Salzburg geformt und später in Leipzig an die Weltklasse herangeführt.
Zudem hat Österreich derzeit generell eine Spielergeneration, die sich qualitativ von vielen vorherigen abhebt. Unter Rangnick hat man sich zuletzt immerhin bereits zum dritten Mal in Folge für eine EM-Endrunde qualifiziert und das auch noch äußerst souverän mit nur einer Niederlage gegen Belgien (2:3).
Es könnte also alles nach der fixierten EM-Qualifikation und vor dem Duell gegen das DFB-Team wunderbar sein rund um das ÖFB-Team. Wären da nicht immer wieder Misstöne gegen Rangnick, die vor allem aus der Wiener Ecke kommen - und teilweise weit über das Sportliche hinaus gehen.
"Er ist ein arroganter Mensch und glaubt, den Fußball erfunden zu haben. Deswegen mag ich ihn nicht“, sagte die österreichische Ikone Hans Krankl im Podcast "Zweierkette" bereits im Jahr 2022.
Kurios: Krankl, der Rangnick Arroganz vorwirft, kennt diesen gar nicht persönlich. "Ich habe auch von anderen Menschen gehört, dass er unheimlich arrogant ist. Ich kenne ihn nicht persönlich, mag ihn aber auch nicht kennenlernen", sagte der einstige "Goleador", der Österreich 1978 zum legendären 3:2-Sieg in Cordoba gegen Deutschland schoss.
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Pacult: "Sollte man von einem Mann schon erwarten"
Nicht weniger deutlich äußerte sich Ex-1860-Trainer Peter Pacult über Rangnick, nachdem dieser ÖFB-Coach wurde. Rangnick sei "wie ein Professor, der andere belehren will", erklärte Pacult der "Kronen Zeitung", bezog sich dabei unter anderem auf einen Rangnick-Auftritt im "Aktuellen Sportstudio" aus dem Jahr 1998.
"Er hat angefangen, allen die Viererkette zu erklären. Da konnte keiner mehr zuhören", erinnerte sich der 64-jährige Wiener. Im Gegensatz zu Krankl kennt Pacult Rangnick aber wenigstens persönlich, 2012 arbeitete das Duo für kurze Zeit bei RB Leipzig - bis der damalige Sportdirektor Rangnick Trainer Pacult rauswarf.
Dies hinterließ bei Pacult möglicherweise eine offene Wunde. Rangnick habe es damals "nicht einmal geschafft, mich zu kontaktieren und mir zu sagen, dass ich nicht mehr Trainer bin", erinnerte sich Pacult: "Das sollte man von einem Mann, von einem Sportdirektor, schon erwarten. Das tat dann halt Didi Mateschitz."
Angesichts dieser früheren Anfeindungen von Krankl, Pacult und Co. ehrt es Rangnick umso mehr, jetzt im Rausch des ÖFB-Erfolges nicht zur verbalen Retourkutsche auszuholen, sondern die Ergebnisse für sich sprechen zu lassen.
Dass er einst zu Recht von einem beträchtlichen Teil der österreichischen Fußballfans als Hoffnungsträger empfangen wurde, hat Rangnick ohnehin längst bewiesen.
Dass er ein Besserwisser ist, weil er es eben vielleicht doch ein Quäntchen besser als die Herren Krankl oder Pacult weiß und kann, ebenfalls.