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WM-Qualifikation

Thomas Helmer exklusiv zum DFB-Team: "Bisher keine richtigen Lehren gezogen"

  • Veröffentlicht: 17.11.2025
  • 13:24 Uhr
  • Carolin Blüchel

Die deutsche Nationalmannschaft will gegen die Slowakei die WM-Qualifikation perfekt machen. Doch die jüngsten Leistungen geben Grund zur Sorge. Im Interview mit ran spricht Ex-Nationalspieler Thomas Helmer über fehlendes Selbstvertrauen, falsche Lehren und gut gemeinte Experimentierfreude.

von Carolin Blüchel

Im letzten WM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei (heute ab 20:45 Uhr im Livestream auf Joyn und im ran-Liveticker) reicht der deutschen Nationalmannschaft ein Unentschieden. Ein Selbstläufer wird das - gerade mit Blick auf das Hinspiel sowie das 2:0 gegen Luxemburg - jedoch nicht.

Ex-Nationalspieler Thomas Helmer glaubt zwar an eine erfolgreiche Qualifikation. Im Interview mit ran spricht der frühere Bayern-Star aber darüber, wie das deutsche Team das Selbstvertrauen verloren hat, welche falschen Lehren aus den schwächeren Spielen gezogen wurden, und betont, wie wichtig Charaktere wie Manuel Neuer für das DFB-Team wären.

ran: Nach dem mühsamen Sieg gegen Luxemburg kann die deutsche Nationalmannschaft im letzten WM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei das WM-Ticket lösen. Ein Unentschieden genügt. Was für ein Spiel erwarten Sie?

Helmer: Es ist wichtig, schnell in Führung zu gehen und dann am besten noch einen nachzulegen. Solange das Unentschieden steht und die Slowaken irgendeine Chance wittern, werden sie auch dran glauben. Das ist für die das Spiel des Jahrhunderts. Uns da ein Bein zu stellen, dann auch noch in Deutschland, und sich dann direkt zu qualifizieren – also, die haben Motivation genug. Deswegen sollte unsere Mannschaft versuchen, das so schnell wie möglich im Keim zu ersticken. So ein Spiel erwarte ich auch. Gegen Luxemburg hatte ich eigentlich 5:0 getippt, ich bin jetzt lieber zurückhaltender. Aber ich glaube trotzdem, dass wir mit zwei Toren Unterschied gewinnen.

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Deutschland vs. Slowakei heute ab 20:45 Uhr auf Joyn

Das Endspiel in der WM-Quali LIVE im Stream auf Joyn.

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ran: Sie sprechen das Luxemburg-Spiel an. Wie ist es zu erklären, dass ein Spieler wie beispielsweise Jonathan Tah beim FC Bayern Woche für Woche abliefert und in der Nationalmannschaft wackelt er massiv. Hat das DFB-Team ein Mentalitätsproblem?

Helmer: Als Spieler ist es das Größte, bei der Nationalmannschaft zu spielen. Da hat man kein Problem mit der Einstellung. Nein, absolut nicht. Das ist Quatsch. Mentalität ist in dem Zusammenhang das falsche Wort. Im Moment ist einfach das Gerüst der Mannschaft nicht so vorhanden. Wenn Kimmich nicht dabei ist, Schlotterbeck nicht. Vielleicht waren gegen Luxemburg zu viele auf dem Platz, die noch nicht so lange in der Nationalmannschaft sind.

ran: Aber all diese Spieler bringen ja in den Vereinen ihre Leistung …

Helmer: Da bin ich total bei Ihnen. Deswegen ist es verwunderlich. Aber das muss aus der Mannschaft heraus kommen. Ich kenne das schon auch. Da macht man mal ein paar schwache Spiele, aber irgendwann muss es eben auch mal besser werden. Das Gefühl hatte ich nicht. Wenn das erste Tor nicht so früh in der zweiten Halbzeit gefallen wäre, weiß ich nicht, wie es weitergegangen wäre. Man darf auch nicht vergessen, dass die Luxemburger auch nach unserem Führungstor nochmal eine Riesenchance hatten. Da hat die Mannschaft einfach sehr unkonzentriert gespielt.

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Thomas Helmer über DFB-Team: Schmerzliche Erkenntnis in der Nations League

ran: Warum kann die Mannschaft ihr Potenzial nicht konstant abrufen?

Helmer: Das ist wirklich auch für mich schwer nachzuvollziehen. Ich glaube auch, dass das Hinspiel gegen Luxemburg fast zu positiv bewertet wurde. Immerhin hat man da ja fast die ganze Zeit in Überzahl gespielt. Ich habe das Gefühl, seit der Nations League, seitdem wir da - ich will nicht sagen - fast chancenlos waren, aber doch nicht an die großen Nationen rangekommen sind, ist ein Bruch drin. Bis dahin war die Stimmung gut in der Nationalmannschaft. Leider geht das gerade in die andere Richtung.

ran: Mit Bruch meinen Sie, dass die Mannschaft nicht mehr an sich glaubt?

Helmer: Sie haben gesehen hat, dass es doch noch ein weiterer Weg ist, als man vielleicht gedacht hat, um wieder ganz an der Weltspitze zu sein. Trotz der Qualität der einzelnen Spieler. Die müssen dann auch schon ihren besten Tag haben, um solche Mannschaften, gegen die man in der Nations League verloren hat, bestehen zu können. Das war erstmal eine Erkenntnis. Dann schaute man auf die Qualifikationsgruppe und hat gesagt: "Okay, da müssen wir Erster werden, das ist klar." Und dann hat man gegen die Slowakei diesen ersten Warnschuss bekommen. Ich finde nur, wir haben daraus bisher keine richtigen Lehren gezogen.

ran: Was wären die richtigen Lehren?

Helmer: So ein Spiel wie in Luxemburg zum Beispiel. Wir müssen das natürlich gewinnen, das weiß man sowieso. Ich finde, man muss da anders rausgehen, anders anfangen. Aggressiver, die Geschwindigkeit, die man gegenüber den Luxemburgern vor allem in der Offensive hat, mehr ausnutzen. Julian Nagelsmann hat es ja selbst gesagt. So oft haben wir noch nie rückwärts gespielt. Das ist sehr untypisch für eine deutsche Mannschaft. Es sah wirklich so aus, als wäre das Selbstvertrauen irgendwo in Deutschland zurückgeblieben.

ran: Nico Schlotterbeck und Joshua Kimmich werden gegen die Slowakei vermutlich zurückkehren. Wie sehr ist die deutsche Mannschaft auf die beiden angewiesen?

Helmer: Bei Kimmich ist es ja klar. Er hat über 100 Länderspiele. Das ist ganz, ganz deutlich. Und Schlotterbeck ist in Dortmund Kapitän, hat diesen Stellenwert auch zu Recht. Die beiden gehen natürlich auch im Nationalteam voran.

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Thomas Helmer über DFB-Team: Nagelsmann hat zu sehr experimentiert

ran: Nagelsmann hatte durchblicken lassen, dass er die Mannschaft in der Halbzeitansprache gegen Luxemburg eher mit Samthandschuhen anfassen musste. Sind Spieler auf diesem Niveau wirklich so dünnhäutig, dass man mit Kritik vorsichtig sein muss?

Helmer: In der Nationalmannschaft sollte man natürlich auch erwarten, dass die Spieler, die in ihren Vereinen alle eine große Rolle spielen, in der Lage sind, sowas zu handeln. Aber nicht nur, wenn der Bundestrainer auf den Tisch haut. Das muss auch aus der Mannschaft heraus kommen. Julian hat vielleicht selbst ein wenig Unsicherheit in die Truppe gebracht, als er Kimmich wieder ins Mittelfeld gestellt hat. Auch wenn Joshua lieber im Mittelfeld spielt, wir haben rechts keinen besseren in der Mannschaft. Julian hat angefangen, ein bisschen zu experimentieren, das ist aus meiner Sicht nicht notwendig gewesen.

ran: Die Situation erinnert ein wenig an Philipp Lahm 2014, der sich auch lieber im Zentrum als als Außenverteidiger gesehen hat, auch wenn es für die Mannschaft nicht unbedingt dienlich war.

Helmer: Ich bin sicher, dass Joshua intelligent genug ist, zu erkennen, dass er auf rechts genauso wichtig sein kann und die Mannschaft dann eben auch Erfolg hat. Bei Philipp war es ja genauso. Die Mannschaft hat damals viel Druck auf Jogi Löw ausgeübt. Dann hat sich auch noch Shkodran Mustafi verletzt. Erzwungenermaßen ging man dann genau den richtigen Schritt, um Weltmeister zu werden. Die jetzige Nationalmannschaft hat auf der Sechs neben Joshua super Spieler. Deswegen könnte man ihn da eher ersetzen als eben auf der rechten Seite.

VIDEO: DFB-Team: "Draufhau"-Klartext von Julian Nagelsmann

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Thomas Helmer über DFB-Team: Vor Neuer hat ein Stürmer noch mehr Respekt

ran: Im Tor macht Oliver Baumann bislang eine gute Figur. Trotzdem gibt es immer wieder Diskussionen, ob nicht Manuel Neuer doch wieder zurückkehren sollte mit Blick auf die WM-Endrunde. Schon allein aufgrund seiner Erfahrung und seiner Ausstrahlung. Wie stehen Sie dazu?

Helmer: Die Mannschaft bräuchte sicherlich mehr Manuel Neuers. Das hat man ja zuletzt ganz deutlich gesehen. Oliver Baumann hat seine Sache echt gut gemacht. Aber er hat den Nachteil, dass er keine Champions-League-Spiele auf diesem Niveau und über Jahre hinweg hat. Das hat Manuel sowieso jedem voraus. Und was die Ausstrahlung betrifft. Es wird immer so ein bisschen belächelt, wenn man sagt: Wenn ein Stürmer auf Manuel Neuer zuläuft, hat er ganz unbewusst dann doch nochmal größeren Respekt vor ihm. Solche Sachen darf man nicht außer Acht lassen.

ran: An diesem Wochenende wurde auch noch bekannt, dass Karim Adeyemi wegen illegalen Waffenbesitzes zu einer hohen Geldstrafe verurteilt wurde. Nagelsmann wollte sich jetzt vor dem Spiel nicht ausführlich äußern. Wie geht eine Mannschaft mit so einer Nachricht um?

Helmer: Das ist schwer zu beurteilen. Sowas habe ich in meiner aktiven Zeit nie erlebt. Ich glaube, wenn es auf den Rasen geht, wird das kein Thema mehr sein. Da konzentriert sich jeder auf das Spiel. Aber natürlich ist das keine schöne Geschichte. Adeyemi hat eigentlich eine ganz gute sportliche Entwicklung gemacht, auch in Dortmund. Er arbeitet jetzt viel mehr nach hinten, was vorher nicht so optimal war. Er war eigentlich auf einem sehr guten Weg. Aber jetzt wird jede Aktion vielleicht nochmal besonders beobachtet werden: Wenn etwas misslingt, wenn er zu leicht fällt, Elfmeter provozieren will oder was auch immer. Ich glaube, für ihn ist das am schwierigsten.

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