Handball-EM 2024
Handball-EM 2024: Juri Knorr schadet sich selbst und dem DHB-Team mit seiner Frustrede – ein Kommentar
- Aktualisiert: 29.01.2024
- 11:41 Uhr
- Jonas Rütten
Juri Knorr überrascht nach dem verpassten EM-Finale mit einer heftigen Frustrede. Seine Message ist deutlich und im Grunde gut gemeint, schadet der deutschen Handball-Nationalmannschaft und ihm selbst aber in ihrem und seinem Entwicklungsstadium mehr, als es beiden hilft. Ein Kommentar.
Von der Handball-EM aus Köln berichtet Jonas Rütten
Eigentlich hatte Juri Knorr nur Selbstkritik üben wollen. Zum Ausdruck bringen wollen, wie sehr ihm seine eigene Leistung und Einstellung in der zweiten Halbzeit gegen Dänemark auf den Wecker gegangen war.
Er sagte Sätze wie: "Ich wollte mir im Nachhinein nichts vorwerfen lassen. Doch das tue ich." Oder: "Ich habe für mein Gefühl nicht alles gegeben. Ich bin enttäuscht von mir. Irgendwann wird bestimmt das Gefühl kommen, dass das kein schlechtes Turnier war. Aber heute nicht."
Knorrs mediale Selbstgeißelung in der Mixed Zone der Kölner Lanxess Arena kam für viele überraschend, hatte die DHB-Auswahl doch kaum 30 Minuten zuvor dem absoluten Top-Favoriten und amtierenden Weltmeister Dänemark – gespickt mit ehemaligen (Hansen, Landin) und kommenden (Gidsel) Welthandballern – einen packenden Fight um den Final-Einzug geliefert.
Deutschland war in der ersten Halbzeit sogar besser als der Abo-Weltmeister (2019, 2021, 2023). Und Knorr spielte dabei mit einer überragenden ersten Halbzeit eine Schlüsselrolle. Die zuvor kaum für möglich gehaltene Sensation war am Ende viel greifbarer als ursprünglich gedacht.
Das Wichtigste in Kürze
DHB-Team und Knorr noch nicht Weltspitze? Das ist völlig okay
Doch die harte Wahrheit lautet: Deutschland ist aktuell noch nicht so weit, um mit der absoluten Weltspitze im Handball in Do-or-Die-Spielen über 60 Minuten konkurrieren zu können. Und Knorr ist noch nicht so weit, dauerhaft auf Augenhöhe mit anderen Ausnahmespielern wie Matthias Gidsel (24) zu agieren. Und das ist auch völlig okay, schließlich sind die Anlagen für beides deutlich sichtbar.
Doch weil Knorr eben mit seiner Frustrede suggerierte, dass das DHB-Team und insbesondere er an diesem 26. Januar 2024 schon bereit für das Handball-Konzert der großen Nationen und Spieler gewesen seien, schadet er sich selbst und seiner Mannschaft im aktuellen Entwicklungsstadium mehr, als dass er damit beiden hilft.
Knorrs Frustration war im Grunde gut gemeint. Er wollte ausdrücken, dass diese junge deutsche Mannschaft Großes – oder mit seinen Worten "etwas ganz Besonderes" – leisten kann. Dass man sich nicht damit begnügen will, gegen die Top-Nationen "nur" gut mitgehalten zu haben. Dass man sich nicht auf die Schulter klopft für eine starke Halbzeit.
Das zeugt von Hunger, Ehrgeiz und Siegeswillen. Grundsätzlich hervorragende Voraussetzungen für Erfolg im Leistungssport. Doch Knorr hätte an diesem Abend wohlwollender mit sich als Sinnbild der deutschen Mannschaft ins Gericht gehen müssen. Das größte Ziel und der größte Traum bei dieser Heim-EM war der Halbfinal-Einzug und die Weiterentwicklung der Mannschaft. Ein Zeichen, dass sie auf einem guten Weg ist. Beides wurde abgehakt.
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Und alles darüber hinaus – ein nach wie vor möglicher Medaillengewinn oder gar die Olympia-Qualifikation – wäre unterm Strich ein auf dem Papier grandioses und traumhaftes Abschneiden. Knorr hat daran als aktuell zweitbester Torschütze einen elementaren Anteil, was sein Gefühl nach dem Dänemark-Spiel, ein schlechtes Turnier zu spielen, komplett ad absurdum führt.
Anstatt Frust zu schieben, hätte Knorr als einer der Leader im Team eine ausgewogene Betrachtungsweise der EM trotz des Halbfinal-Aus gut zu Gesicht gestanden. Er hätte Selbstkritik üben und mit Spielsituationen hadern können, doch das Positive benennen müssen.
Beispielsweise dass Deutschland in Johannes Golla und Julian Köster möglicherweise einen der besten Mittelblocks im Welthandball der kommenden Jahre stellen wird. Dass er im Zusammenspiel mit dem jungen U21-Weltmeister Renars Uscins, der trotz der Pleite lächeln konnte, die dänische Abwehr mehr als einmal schwindelig gespielt hatte. Dass Joker wie Sebastian Heymann mit ihrer Wurfgewalt zünden.
So aber steht am Ende des Tages eine Frustrede nach einem mehr als respektablen Auftritt – sowohl von Knorr als auch von der gesamten Mannschaft. Und sie schadet beiden mehr, als dass sie hilft.