Zehn Jahre nach Skiunfall
Formel 1: Darum schweigt die Familie über Michael Schumachers Gesundheitszustand
Auch zehn Jahre nach dem schweren Skiunfall von Michael Schumacher schweigt die Familie zu seinem Gesundheitszustand. Ihr Rechtsanwalt erklärt die Hintergründe.
Zehn Jahre ist es her, dass Michael Schumacher am 29. Dezember 2013 beim Skifahren in Méribel gestürzt ist. Seither wird sein Privatleben von der Familie konsequent geschützt. Im Juni 2014 teilte Schumachers Medienberaterin Sabine Kehm mit, dass der siebenmalige Formel-1-Weltmeister aus dem Koma aufgewacht sei, und im September 2014 wurde Schumachers Betreuung vom Krankenhaus in Lausanne in sein Zuhause verlegt. Doch seither schweigt die Familie über seinen Gesundheitszustand.
Felix Damm, der die Familie Schumacher in medienrechtlichen Angelegenheiten als Rechtsanwalt vertritt, hat in einem Interview mit dem Fachportal "Legal Tribune Online" erstmals öffentlich über die Beweggründe für dieses Schweigen gesprochen. Dabei stehe ein Motiv über allem anderen: "Es ging immer darum, Privates zu schützen", sagt Damm.
"Darüber, wie das möglich ist, haben wir natürlich viel diskutiert. So haben wir auch mal überlegt, ob eine finale Meldung über den Gesundheitszustand von Michael hierfür der richtige Weg sein könnte. Doch danach wäre ja nicht Schluss gewesen, und es hätten dann permanent aktualisierte Wasserstandsmeldungen erfolgen müssen", befürchtet der Jurist.
Es ist eine Argumentation, die Sabine Kehm in informellen Gesprächen mit Journalisten immer wieder erklärt hat: Selbst wenn die Familie detailliert über Schumachers Gesundheitszustand berichten würde, würde das das Interesse am Thema mutmaßlich nicht mit einem Schlag beenden, sondern zu immer neuen Nachfragen und, noch schlimmer, unseriösen Spekulationen führen.
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Dass die Familie bei diesem Thema sensibel ist, ist nachvollziehbar. In der Vergangenheit gab es teilweise bizarre Zwischenfälle mit Journalisten, die sich verkleidet ins Krankenhaus in Grenoble einschleichen wollten, oder mit Klatschzeitungen, die schlagzeilenträchtige Storys teilweise frei erfunden haben.
Damm erzählt: "Erstaunt hat mich, wie viel Medien berichten, obwohl keine belastbaren Informationen vorhanden sind, wie sehr man aus null Information vermeintliche Storys stricken kann. Was im Ergebnis so weit gegangen ist, dass die aktuelle ein KI-generiertes Interview einfach mal erfunden und auf die Titelseite gehoben hat."
Skandal um erfundenes Interview
Es war die vielleicht dunkelste Stunde des deutschen Boulevardjournalismus, als die Klatschzeitung "die aktuelle" im April 2023 ein angebliches Interview mit Michael Schumacher veröffentlichte. Die Antworten gab dabei eine KI (Künstliche Intelligenz), die beauftragt wurde, die Fragen so zu beantworten, wie das Michael Schumacher wahrscheinlich tun würde. Die Affäre kostete Chefredakteurin Anne Hoffmann den Job und schlug hohe Wellen.
Es war übrigens nicht das erste Mal, dass die Zeitschrift der "Funke-Mediengruppe" in der Causa Schumacher auffällig wurde. Bereits Jahre zuvor hatte die aktuelle den Satz "Er ist nicht mehr unter uns" neben ein Schumacher-Foto auf die Titelseite gesetzt.
Dadurch sei damals, erklärt Damm, "der geschmacklose Eindruck entstanden, Michael Schumacher sei verstorben. Für diesen Satz musste der Verlag 100.000 Euro zahlen. Mir ist kein Fall bekannt, wo für die Veröffentlichung eines Satzes eine höhere Geldentschädigung bezahlt werden musste", sagt der Rechtsanwalt.
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Dabei kann Damm "natürlich" nachvollziehen, dass viele Schumacher-Fans wissen wollen, wie es ihrem Helden geht. Aber: "Ich glaube auch, dass die allermeisten Fans gut damit umgehen können und es auch respektieren, dass durch den Unfall ein Prozess in Gang gesetzt wurde, bei dem der private Schutzraum notwendig ist und jetzt weiterhin beachtet wird."
"Finale Meldung" würde Interesse nicht beenden
Gesundheits-Update würde Interesse nicht beenden
Dass ein umfassendes Update zu Schumachers Gesundheitszustand die Medienberichterstattung insbesondere des deutschen Boulevard plötzlich beenden würde, glaubt er nicht. Denn: "Als Betroffener hat man es nicht in der Hand, den Medien damit einen Schlussstrich zu verordnen", argumentiert Damm.
"Diese könnten eine solche Meldung immer wieder aufgreifen und fragen: 'Und wie sieht es denn jetzt aus?' Ein, zwei, drei Monate oder Jahre nach der Mitteilung. Und wenn wir dann gegen diese Berichterstattung vorgehen wollten, müssten wir uns mit dem Argument der freiwilligen Selbstöffnung befassen", erklärt der Jurist.
Die sogenannte freiwillige Selbstöffnung ist mutmaßlich einer der Hauptgründe, weshalb die Familie Schumacher weiterhin schweigt. Denn sobald sie selbst Informationen über Michael Schumachers Gesundheitszustand preisgibt, könnte dies die juristischen Möglichkeiten, eine unerwünschte Berichterstattung darüber zu unterbinden, einschränken.