NFL in Frankfurt
New England Patriots - Bill Belichick lächelt Krise weg: Verkehrte Welt in Frankfurt
- Veröffentlicht: 10.11.2023
- 15:22 Uhr
Bill Belichick ist der Inbegriff von schlechter Laune. Zumindest wirkt es so. In Frankfurt gibt der Coach der New England Patriots trotz der aktuellen Krise jedoch ein ganz anderes Bild ab.
Aus Frankfurt berichtet Kevin Obermaier
Ein Lächeln im Gesicht. Gut gelaunt. Leicht zwinkernd.
So betritt Bill Belichick das Podium bei der Pressekonferenz der New England Patriots vor dem Spiel gegen die Indianapolis Colts am Sonntag (ab 15:30 Uhr im ran-Liveticker).
Ja, richtig gelesen - Bill Belichick. Ausgerechnet. Er, der sonst eher dreinblickt, als hätte er gerade eine Wurzelbehandlung über sich ergehen lassen müssen.
Verkehrte Welt in Frankfurt.
Seine ersten Worte: Lob. Für den entspannten Flug. Für den DFB-Campus, wo die Patriots ihre Zelte aufgeschlagen haben. Für Deutschland. "It’s all good." Alles gut.
Dabei ist es das bei den Patriots eigentlich gar nicht. Schlechter Football. Schlechte Stimmung. 2-7.
Die Gazetten in Foxborouh sind heiß gelaufen in den vergangenen Wochen. Die Kritik: kein kleines Fünkchen mehr, ein Großbrand. Ein Inferno.
Sogar Belichick, der Unantastbare, die Legende, der Mythos - er scheint zu wackeln. Auf dem heißen Stuhl zu sitzen.
Bill Belichick in Frankfurt: Ein Witz jagt den nächsten
Hier und jetzt in Frankfurt sitzt Belichick trotzdem ganz entspannt. Und nicht gezwungen. Alles ist natürlich. Als würde er gerade nirgendwo sonst in der Welt sein wollen.
Er antwortet noch immer in der typischen Belichick-Art: nicht zu ausschweifend, die Sätze kurz und prägnant (wenn auch nicht einsilbig, wie in letzter Zeit oft), immer wieder das Wort "job" benutzend.
Colts at Patriots in Frankfurt
Und doch ist es anders als so oft in seiner fast 50-jährigen Trainerkarriere. Er bedankt sich für Fragen. Und lächelt auch nach fünf Minuten noch immer.
Ja, er scherzt sogar. Als ihn ein spanischer Journalist nach dem Fitnesszustand eines bestimmten Spielers fragt, versteht der Head Coach erst nicht, wer gemeint ist, ein US-amerikanischer Kollege muss nachhelfen. Belichick: "Ah, und ich dachte, wir hätten einen Spanier im Kader, von dem ich noch nie gehört habe."
Als ihn eine andere Journalistin auf seine 20 Jahre in der NFL anspricht, unterbricht Belichick sie und sagt: "Leider sind es schon mehr als 20 Jahre." Noch ein Witz? Die anwesenden Journalisten schauen sich verblüfft an.
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Bill Belichick: Tut Deutschland dem Patriots-Coach gut?
Hat Belichick nur einen guten Tag erwischt? Ist man nach 18 Playoff-Teilnahmen, 30 Playoff-Siegen, neun Super-Bowl-Teilnahmen und sechs Super-Bowl-Siegen in 23 Jahren immun gegen jede Form von Kritik? Oder hat ein 71-Jähriger einfach keine Lust mehr, bei jedem Großbrand Feuerwehrmann zu spielen?
Vielleicht liegt es ja auch an Deutschland. Diese Vermutung äußert zumindest ein deutscher Journalist, der "seit 23 Jahren Patriots-Fan" ist und Belichick "noch nie so gelöst" gesehen habe. Beim Satz, Deutschland tue ihm gut, muss er sogar laut lachen.
Er lobt Frankfurt, Deutschland, die Deutschen, erinnert sich an die NFL Europe, längst vergangene Zeiten in Europa. Wird für einen Moment sogar richtig gesprächig.
Nach gut zehn Minuten ist die Pressekonferenz beendet, und Belichick geht, wie er gekommen ist: lächelnd. Wahrlich besondere, ungewöhnliche zehn Minuten.
Wobei dann doch nicht alles anders ist als sonst: Seinen typischen Hoodie hat Belichick natürlich auch heute an.
Zu verkehrt kann die Welt auch in Frankfurt nicht werden.