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NBA-Kolumne - Daniel Theis geht zu den L.A. Clippers: Notnagel oder mehr als das?
- Veröffentlicht: 16.11.2023
- 15:39 Uhr
Die L.A. Clippers haben auf ihre Krise mit sechs Niederlagen am Stück sowie den Ausfall von Mason Plumlee reagiert und sich wohl Daniel Theis gesichert. Der Big Man könnte für die Star-Truppe mehr als nur ein Notnagel sein - bringt aber auch einige Fragezeichen mit.
von Ole Frerks
Nun ging es auf einmal doch schnell. Beziehungsweise: Es geht schnell, die letzten Formalitäten sind ja noch offen. In der Theorie könnte ein fremdes Team Daniel Theis bis Freitag noch von der Waiver-Liste holen, wenn dieses seinen kompletten Vertrag übernimmt, in der Praxis steht es laut "ESPN" jedoch fest: Theis schließt sich nach seinem Buyout in Indiana den L.A. Clippers an und unterschreibt dort einen Minimalvertrag bis zum Ende der Saison (2,1 Millionen Dollar).
Es ist ein naheliegender Schritt, für beide Seiten. Theis erlebte bei den Pacers das gleiche Schicksal wie im Vorjahr und drohte, am Ende der Rotation zu versinken, in dieser Spielzeit wurde er beim jungen, aktuell zu 100 Prozent offensiv ausgerichteten Team nur einmal für acht Minuten eingesetzt.
Head Coach Rick Carlisle hatte keine Verwendung für den 31-Jährigen, der mit dieser Situation nicht zufrieden war oder sein konnte, was er zuletzt in mehreren Interviews betonte, auch wenn er sich den Pacers zufolge stets professionell verhielt.
Bei den Clippers wird die Situation anders sein - zumindest vorerst. Nach der Verletzung von Mason Plumlee gab es nur noch einen gestandenen Big Man (Ivica Zubac) im Kader, die einzigen Alternativen hießen Moussa Diabaté (ein Two-Way-Player) und Small-Ball. Theis wird hier gebraucht, seine Minuten aus Indiana dürfte er schon in wenigen Tagen überschritten haben.
Wie diese Minuten aussehen werden und wie sehr Theis den Clippers helfen kann, sind die spannenderen Fragen.
Das Wichtigste in Kürze
Daniel Theis: Schwierige Jahre in der NBA
Es waren zuletzt schwierige Jahre in der NBA für den Weltmeister, die Stichprobe aus seinen letzten Saisons ist winzig und kaum aussagekräftig. Theis kam vor der vergangenen Saison nicht zu den Pacers, weil diese ihn haben wollten, sondern als Gehalt, um den Trade von Malcolm Brogdon nach Boston möglich zu machen. Es war für ihn bereits der vierte Trade seit März 2021, nachdem er seine ersten dreieinhalb Jahre in der Liga allesamt bei den Celtics verbracht hatte.
Für keins der anderen drei Teams absolvierte er mehr als 26 Spiele, für Boston waren es 257 in der Regular Season und 40 in den Playoffs. Theis war auch Teil des 22er Celtics-Teams, das es bis in die Finals schaffte. Seine individuell beste Postseason war indes im Jahr 2020, in der Bubble, als in den Conference Finals Endstation war (8,9 Punkte, 7,1 Rebounds, 1,2 Blocks).
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Seit diesem Run sind nicht nur mehrere Jahre ins Land gezogen. Theis plagte sich wiederholt mit Knieproblemen herum, die ihn 2022 bei der EM einschränkten und im November desselben Jahres zu einer Operation führten. Die Zwangspause erleichterte seine Situation in Indiana nicht, nach seiner Rückkehr wurde Theis auch vergangene Saison bloß für sieben Spiele eingesetzt.
Die Spiele waren, nüchtern betrachtet, kaum der Rede wert. Wichtiger war der Eindruck, den Theis bei der anschließenden Weltmeisterschaft hinterließ - denn hier konnte er erstmals beweisen, dass er zu 100 Prozent von der Verletzung zurückgekehrt ist. Er präsentierte sich in der Form seines Lebens, gerade gegen Team USA im Halbfinale überragte er mit 21 Punkten und 7 Rebounds.
Solche Leistungen sind von ihm bei den Clippers nicht zu erwarten, natürlich nicht. In einem (kriselnden) Team mit vier künftigen Hall-of-Famern ist er kein Fixpunkt, sondern ein Backup, streng genommen sogar erstmal nur ein Notnagel. Trotzdem können die Leistungen im DBB-Team für L.A. eine gewisse Aussagekraft haben.
Daniel Theis: Positiver Einfluss auf die Defense
Theis muss ja kein Fixpunkt sein, um für sein Team etwas beizutragen. Zeit seiner Karriere definierte er sich über Hustle, Defense, Energy-Plays - all das kann Los Angeles gut gebrauchen. Er ist kein guter Defensivrebounder und mit 2,03 m klein für einen Center (Paul George ist genau so groß), dafür ist er mobil genug, um vor vielen Wings zu bleiben, und hat trotzdem eine gewisse Präsenz in Korbnähe.
Gegen NBA-Athleten nicht in derselben Form wie im FIBA-Basketball, aber auch in der NBA hatte er laut "Cleaning the Glass" bisher in fast jedem Team in der Regular Season einen positiven Impact auf die Defense, zumal er ein intelligenter Verteidiger ist und in der Regel weiß, wo er zu sein hat.
Die Clippers sind in der laufenden Spielzeit beim Defensiv-Rating um unfassbare 14 Punkte pro 100 Ballbesitze schlechter, wenn Zubac auf der Bank sitzt. Theis stopft eine Lücke in der Rotation, weil es ohne den Kroaten zuvor nahezu komplett an Ringschutz fehlte. In Theis‘ NBA-Minuten erlaubten seine Teams in der Regel weniger Abschlüsse am Ring, die zudem schlechter getroffen wurden.
Auch den Pacers (aktuell Platz 27 beim Rating) hätte Theis defensiv helfen können, wenn dies aktuell die Priorität in Indiana wäre - wichtiger sind dort jedoch Tempo, Offense, Shooting, Jugend und Athletik, simpel gesagt, wofür Carlisle passendere Alternativen zur Verfügung hatte. Die Clippers könnten Theis offensiv einen besseren Kontext bieten.
Theis: Diese Qualität hat er offensiv
Das Team hat seine Rotation nach dem Harden-Trade noch nicht austariert. Es ist aber davon auszugehen, dass es früher oder später viele bank-lastige Lineups geben wird, in denen Harden etliche Pick’n’Rolls läuft, während zwei oder gar drei der anderen Stars von draußen zusehen – und Theis kann dazu beitragen, dass diese Lineups besser funktionieren als zuletzt.
Nicht nur in Deutschland ist bekannt, wie gut Theis als Screener funktioniert. Was seit Jahren der Einstieg in etliche Angriffe des DBB-Teams ist, war auch in der NBA durchaus schon oft zu sehen. Theis‘ Chemie mit Dennis Schröder ist zwar unübertroffen, aber seine Blöcke (immer am Rande der Legalität), sein Abrollen zum Alley-Oop, seine schnelle Entscheidungsfindung aus dem Short-Roll oder auch sein "Versiegeln" des Bigs funktionieren auch auf dem nächsten Level. Dieses (alte) Beispiel verdeutlicht diese letzte Komponente recht gut:
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Celtics-Star Jayson Tatum betonte früher mehrfach, wie viele Punkte er durch die Zusammenarbeit mit Theis als Blocksteller bekam. In der 21/22er Saison verzeichneten die Celtics 1,42 Punkte pro Play, wenn Theis als Roll-Man selbst warf oder den Pass vor dem Wurf spielte - ein überragender Wert. Hinzu kamen pro Spiel eben etliche Plays, in denen er nicht abschloss, aber dem abschließenden Spieler durch seine Präsenz half.
(Insbesondere) Harden gefällt das. Der Ex-MVP gehört nach wie vor zu den besten Pick’n’Roll-Spielern der Liga, sucht in L.A. aber noch die optimale Chemie mit seinen Screenern (Punkte pro Play mit Zubac als Roll-Man in dieser Saison bisher: 0,68!). Theis könnte ihm helfen und generell für etwas mehr Platz auf dem Court sorgen, als verbindendes Element der Offense fungieren, das Raum und Driving Lanes für andere schafft.
Theis und die Clippers: Ein gutes Zeichen
Nicht, dass Theis ohne Schwächen wäre. Sein Dreier ist auf NBA-Level nie so gut geworden, dass gegnerische Teams ihn draußen respektieren (Karriere: 32,5% bei 1,6 Versuchen pro Spiel), was den Fit mit Westbrook komplizierter macht. Hinzu kommt, dass die Wurfbewegung relativ langsam ist. Die Rebound-Probleme des Teams kann er nicht lösen und generell muss sich zeigen, wie spritzig er über einen längeren Zeitraum bleibt, nachdem er über die vergangenen Jahre so wenig spielte.
Es ist jedoch sinnvoll für die Clippers, ihn auszuprobieren. Es ist auch ein gutes Zeichen, dass sie hier nicht nach einem großen Namen suchten (DeMarcus Cousins wäre noch verfügbar), sondern nach einem Spieler, der in der Theorie zu ihnen passt – der Drecksarbeit liebt und keinen Ball in der Hand braucht, um einen Beitrag zu leisten. Der leicht integrierbar ist.
Für Theis ist es - neben einer weiteren Rückkehr nach Boston - vielleicht die wohl beste Chance zu zeigen, wie viel er wirklich noch draufhat, wie viel er einem ambitionierten Team noch geben kann. Die WM-Leistungen legten nahe, dass das im richtigen Kontext noch eine ganze Menge ist.