FC Bayern München: "Holding Six" gesucht – ist das die größte Baustelle für Thomas Tuchel?
Aktualisiert: 13.08.2023
22:51 Uhr
Andreas Reiners
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Mit Harry Kane ist der Wunschstürmer da. Doch die Pleite im Supercup gehen RB Leipzig hat gezeigt, dass es noch eine weitere, große Baustelle im Kader gibt.
Die "abkippende Sechs" war ein spektakulärer Begriff der Taktik-Nerds, der vor ein paar Jahren aus dem Nichts auftauchte. Oder die "falsche Neun". Oder erinnert sich noch jemand an die "flache Vier"? Das beschrieb gleich eine ganze Formation. Ähnlich wie die Raute, die ja auch als Vereinswappen genutzt wird.
Und jetzt beherrscht plötzlich die "Holding Six" die Schlagzeilen.
Das ist, auf den Punkt gebracht, ein Sechser, aber ein vornehmlich defensiver. Einer, der ganz grundsätzlich nur wenige Offensiv-Ambitionen hat, der vor der Abwehr in der Schaltzentrale für die Stabilität zuständig ist, der seine Position hält.
Für die Absicherung. Einer mit Auge, mit Ruhe und Abgeklärtheit, kombiniert mit der Konsequenz eines klassischen Abräumers.
Ein dominanter Defensiv-Spezialist, der als Stratege gerne das Spiel klug nach vorne antreiben darf, aber dann zur Stelle ist, wenn es in der eigenen Hälfte gefährlich wird. Bei Kontern zum Beispiel. Oder damit das Mittelfeld nicht überspielt wird.
FC Bayern München sucht einen wie Rodri – oder Javi Martinez
Rodri ist das Paradebeispiel der aktuellen Fußballer-Generation. Casemiro. Oder Sergio Busquets für die etwas Älteren. Oder Javi Martinez, für die Bayern-Fans.
Und die erinnern sich dann auch sofort, was für einen Unterschied so ein Spieler machen kann. Manchmal reicht so eine Stellschraube im Kader, in der Aufstellung, damit das gesamte Gefüge in sich stimmig ist. So ein Puzzleteil brauchen die Bayern. Mindestens.
Klar ist aber: Eine "Holding Six" mit 1A-Qualitäten kostet. Und ist auch nicht einfach zu finden.
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Kandidaten gibt es aber. Ganz früh war es Declan Rice, der es aber vorgezogen hat, in der Premier League zu bleiben. Aktuell wird Ibrahim Sangare von der PSV Eindhoven gehandelt.
Zum Kreis der immer mal wieder Gehandelten gehören auch Kalvin Phillips (Manchester City), Aurelien Tchouameni (Real Madrid) oder Pierre-Emile Höjbjerg (Tottenham Hotspur).
Sangare scheint im Moment die heißeste Option zu sein. Phillips könnte theoretisch schnell gehen, da er bei City keine große Rolle spielt, ist aber teuer. Aus den Transfers von Joao Cancelo und Leroy Sane kennen sich die Verhandlungspartner, ein Leihgeschäft wäre denkbar.
Aus sportlichen Gründen wäre Tchouameni sicherlich Tuchels Favorit, auch eine Sprachbarriere gäbe es nicht, da der Trainer aus seiner Zeit in Paris fließend französisch beherrscht. Aber auch er wäre nur als Leihe zu realisieren, da er bei Real die Zukunft sein soll.
Ja, und im Fall von Höjbjerg, der nach seinem Weggang aus München nach vier Jahren zu einem echten Leader - erst in Southampton, dann bei Tottenham - avanciert ist, müssten die Bayern wieder mit Spurs-Boss Daniel Levy verhandeln. Ob darauf in München nochmal jemand Lust hat?
Aber es gilt: Alles kann, nichts muss.
Dynamischer Transfermarkt
Denn der Markt ist dynamisch. Theoretisch kann es auch eine Leihe sein, oder auch eine Überraschung, wenn sich Dinge überschlagen. Es darf nicht vergessen werden, dass die Bayern nach dem geglückten Kane-Deal noch händeringend nach einem neuen Torhüter suchen (und bei der Suche nicht mit Glück gesegnet sind), auch ein Rechtsverteidiger könnte noch kommen.
Oder eben der Sechser. Da könnte sich die Prioritätenliste seit Samstagabend verschoben haben.
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Supercup offenbart Prioritäten
Denn wenn die bittere Supercup-Pleite gegen Leipzig etwas Gutes hatte, dann die Botschaft, dass Trainer Thomas Tuchel Recht hatte und der FC Bayern dringend so eine "Holding Six" benötigt. Das Doppel Joshua Kimmich/Konrad Laimer ist die Lösung, mit der Tuchel irgendwie leben kann, aber nicht zu 100 Prozent zufrieden ist.
Bislang waren seine zwischenzeitlich auch öffentlichen Rufe nach dem defensiven Sechser ungehört verhallt beziehungsweise vereinsintern auf wenig Gegenliebe gestoßen. So hatte Ehrenpräsident Uli Hoeneß zuletzt erklärt, er sehe auf der Position keinen Bedarf.
Dabei hatte Tuchel auf einer Pressekonferenz sogar für alle erklärt, warum in seinem Kader trotz der geballten Qualität von Kimmich, Laimer, Leon Goretzka und Ryan Gravenberch keiner zu den Anforderungen passt.
Nicht das einzige Problem
Tuchel dürfte nun intern Tempo machen, dass ihm der Wunsch erfüllt wird. Auch wenn der Sechser nicht das einzige Problem der Bayern wenige Tage vor dem Bundesligastart bei Werder Bremen (Freitag, ab 19:30 Uhr live in SAT.1, auf JOYN und auf ran.de) ist.
Doch es geht nach der schwachen Darbietung der Mannschaft und dem ratlosen Auftritt des Trainers inzwischen auch um seine eigene Zukunft. Tuchel muss liefern. Sonst greifen früher oder später die Mechanismen des Fußball-Geschäfts.