FC Bayern gegen Real Madrid - Glückslos? Ramon Calderon: "Kein Real-Fan denkt das"
Aktualisiert: 30.04.2024
16:59 Uhr
Philipp Kessler
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Die Bayern empfangen in der Königsklasse Real Madrid. Im ran-Interview spricht Ex-Real-Präsident Ramon Calderon über das Spiel, seine Zeit bei den Königlichen und sein Verhältnis zu den FCB-Bossen.
Von Philipp Kessler
Dieses Duell ist Königsklasse. Der FC Bayern empfängt am Dienstag (ab 21 Uhr im Liveticker) Real Madrid zum Halbfinal-Hinspiel der Champions League.
Ramon Calderon wird sich das Kracher-Duell nicht entgehen lassen. Der Anwalt kennt sich mit großen Namen aus. Calderon war von 2006 bis 2009 Präsident von Real, er erlebte die Zeit der Galaktischen hautnah.
ran:Senor Calderon, ist der FC Bayern immer noch die Bestia Negra, die schwarze Bestie für Real Madrid?
Calderon: Sie sind eine der großen Mannschaften in Europa, und ihre Gegner haben immer noch Respekt vor ihnen. Real Madrid ist sich bewusst, dass Bayern immer eine schwer zu schlagende Mannschaft ist und dass sie zwei gute Spiele machen müssen, wenn sie das Finale erreichen wollen.
Calderon schwärmt von Ancelotti
ran: Wie nehmen die Spanier die Bayern derzeit wahr?
Calderon: Sie scheinen nicht in Bestform zu sein. Zumindest glauben wir das, da sie die Bundesliga nicht wie üblich gewonnen haben. Aber eines ist auch klar: Kein Fan denkt, dass es für Real ein leichtes Spiel sein wird.
ran: Wie schätzen Sie Real ein?
Calderon: Sie spielen sehr gut. Sie sind ein sehr ausgeglichenes Team, das in allen Mannschaftsteilen erfahrene Spieler wie Kroos oder Modric mit jungen Spielern wie Vinicius, Rodrigo oder Bellingham kombiniert. Hinzu kommt mit Carlo Ancelotti ein großartiger Trainer. Sie werden La Liga gewinnen und stehen bereits im Halbfinale der Champions League, was bedeutet, dass die Moral der Spieler sehr hoch ist. Sie sind sehr zuversichtlich, dass sie ihren 15. Henkelpott gewinnen können.
ran: Was zeichnet Carlo Ancelotti aus?
Calderon: Er ist ein Trainer, der die Philosophie unserer Mannschaft sehr gut versteht und weiß, wie man die schwierigen Situationen meistert, die in einer Gruppe mit so vielen Stars entstehen, und in der er nie der Protagonist sein wollte. Er zeigt auch, dass er taktisch auf Augenhöhe mit den besten Trainern der Welt ist.
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ran: Glauben Sie, dass Leverkusens Meistertrainer und Ex-Real-Star Xabi Alonso seine Nachfolge antreten kann?
Calderon: Mit seinen großen Erfolgen in Deutschland hat Xabi Alonso gezeigt, dass er in der Lage ist, jede Spitzenmannschaft zu führen, aber im Moment ist der Verein sehr zufrieden mit Ancelottis Arbeit und den Ergebnissen, die er erzielt hat, sodass es keinen Grund gibt, über einen Wechsel nachzudenken.
ran: Ancelottis Zeit als Bayern-Trainer - von Juli 2016 bis September 2017 - war hingegen nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Calderon: Ich weiß nicht, welche Probleme er dort hatte, obwohl er immerhin einen Bundesliga-Titel gewinnen konnte. Es stimmt, dass seine Ergebnisse in der Champions League nicht so ausgefallen sind, wie man es von einer Mannschaft wie Bayern erwartet. Auf jeden Fall gibt es mehrere Umstände, die einen Einfluss haben können. Wie in jedem Unternehmen kann ein Manager mit großen Qualitäten wie er auch mal nicht in der Lage sein, seine Mannschaft auf das gewünschte Niveau zu bringen.
ran: Antonio Rüdiger konnte Ancelotti allerdings besser machen. In der Abwehr ist der deutsche Nationalspieler sehr wichtig.
Calderon: Zweifelsohne. Er bringt viel Solidität in die Defensive der Mannschaft. Er ist stark und hat ein sehr gutes technisches Niveau. Er ist ein sehr wichtiger Teil des Erfolgs, den Real erzielt.
ran: Sind Sie überrascht, dass Jude Bellingham in seiner ersten Saison bei Real so eingeschlagen hat?
Calderon: Wir wussten, dass er ein großer Spieler ist, aber er hat alle Erwartungen übertroffen. In seinem ersten Jahr hier, mit seiner Jugend und der Verantwortung, in einer Mannschaft zu spielen, in der Siege Pflicht sind, zeigt er eine erstaunliche Reife.
Real braucht aktuell keinen Top-Stürmer
ran: Real Madrid fehlt allerdings ein Top-Stürmer. Ist das ein Nachteil?
Calderon: Der Weggang von Benzema ließ vermuten, dass sich sein Fehlen in der Effizienz der Mannschaft noch stärker bemerkbar machen würde. Aber die großartige Saison von Vinicius, die Ankunft von Bellingham, der Beitrag von Rodrigo und die offensive Unterstützung der Mittelfeldspieler haben dafür gesorgt, dass die Trefferquote der Mannschaft nicht leidet.
ran: Wird Kylian Mbappé der neue Galactico sein?
Calderon: Hoffentlich, denn er wäre eine große Bereicherung, um das Potenzial der Mannschaft weiter zu steigern. Ich glaube nicht, dass es derzeit einen Spieler auf der Welt gibt, der mehr Unruhe in den gegnerischen Abwehrketten stiftet als er. Er hat Tempo und Kraft, er dribbelt geschickt, wenn er sich Verteidigern gegenübersieht. Und er ist tödlich, wenn er in der Nähe des Strafraums ist. Er erinnert mich sehr an Ronaldo Nazario in seinen Anfangsjahren.
ran: Seit Monaten gibt es Gerüchte um einen Wechsel von Alphonso Davies zu Real. Wäre der Linksverteidiger des FC Bayern eine Verstärkung?
Calderon: Im Moment ist die Mannschaft sehr ausgeglichen und alle Teile sind mit guten Spielern besetzt. Ich weiß nicht, was unser Trainer denkt und ob Bayern bereit ist, sich von ihm zu trennen, aber zweifelsohne sind Spieler wie Davies in jeder Mannschaft willkommen. Er ist jung und die Möglichkeit, als Verteidiger oder linker Mittelfeldspieler zu spielen, ist immer ein Mehrwert.
ran: Auch während Ihrer Zeit als Präsident hatte Real viele Weltstars: Roberto Carlos, Ronaldo, Robinho, Raul.
Calderon: Real hatte schon immer großartige Spieler, und diese Zeit war nicht anders als alle anderen. Ich habe viele gute Erinnerungen an all diese Stars. Sie haben dazu beigetragen, das Prestige und den weltweiten Ruhm der Mannschaft zu festigen und die Zahl der Trophäen in unserem Pokalschrank zu erhöhen.
ran: 2007 haben Sie Arjen Robben für 35 Millionen Euro Ablöse vom FC Chelsea nach Madrid geholt. Wie wichtig war die spätere Bayern-Legende, die 2009 nach München wechselte, für Real?
Calderon: Er war ein sehr schneller Angreifer, mit Stärken im Eins-gegen-Eins - auch wenn er Pech mit Verletzungen hatte. Der Präsident, der mich abgelöst hat (Florentino Pérez, Anm. d. Red.) - er nimmt nicht gerne Erbschaften an -, hat sich meiner Meinung nach zu schnell von ihm getrennt. Ich bin sehr froh, dass wir ihn damals unter Vertrag nehmen konnten, und ich habe mich sehr über seinen Erfolg später bei Bayern gefreut.
ran: Schon ein Jahr bevor Cristiano Ronaldo bei Real unterschrieben hat, haben Sie den Deal eingefädelt. Offiziell wurde der Transfer erst, nachdem Sie 2009 den Verein verlassen hatten. Wie haben Sie Ronaldo davon überzeugt, von Manchester United nach Madrid zu wechseln?
Calderon: Das war nicht sehr schwierig, denn er wusste, dass Real ihm sehr helfen konnte, persönliche und mannschaftliche Titel zu gewinnen und sein Prestige zu steigern. Schwieriger war es, Manchester zu überzeugen. Logischerweise wollten die Engländer sich nicht von dem Spieler trennen, der zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Messi der beste Stürmer der Welt war. Dank des Willens des Spielers und der von beiden Seiten im Dezember 2008 eingegangenen Verpflichtung konnte die Verpflichtung am Ende der Saison über die Bühne gebracht werden.
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Calderon stolz auf Verpflichtung von Cristiano Ronaldo
ran: Der Ronaldo-Deal hat sich ordentlich gelohnt für Real.
Calderon: Obwohl er bereits einen Ballon d'Or und die Champions League gewonnen hatte, übertraf er alle Erwartungen und wurde zu einem der wichtigsten Spieler in der Geschichte des Klubs, der unter anderem vier Champions-League-Titel und vier Ballon d'Or-Trophäen gewann.
ran: Kommen wir zurück zu Ihren Deutschland-Connections: Bernd Schuster war während Ihrer Zeit als Präsident Trainer zwischen Sommer 2007 und Dezember 2008. Was halten Sie von ihm?
Calderon: Er hat mit Bravour einen Meistertitel gewonnen. Ich schätze ihn sehr, sowohl als Trainer als auch wegen seiner menschlichen Qualitäten.
ran: Was denken Sie über die Bayern-Granden Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge?
Calderon: Ich habe Hoeneß nicht sehr gut gekannt. Wir haben uns getroffen, als ich zum Präsidenten von Real gewählt wurde, als Karl und er zu mir kamen. Ich hatte eher ein Verhältnis zu Rummenigge, den ich als Spieler bewundert habe und von dem ich als Manager eine sehr hohe Meinung habe. Das beste Verhältnis hatte ich zu Franz Beckenbauer. Wir haben uns oft bei FIFA-Tagungen getroffen und ich habe ihn mehrmals im Skigebiet von Kitzbühel getroffen, wo er ein sehr schönes Haus hatte. Wir haben viele Stunden mit sehr interessanten Gesprächen über das Leben, den Fußball, die Geschichte unserer Mannschaften und die Duelle zwischen ihnen verbracht. Er war nicht nur einer der größten Fußballer der Geschichte, sondern auch ein sehr intelligenter und unterhaltsamer Gesprächspartner. Ich war sehr traurig, als ich von seinem Tod erfuhr.