Cl-Auftakt gegen United
FC Bayern: Thomas Tuchel zieht die Zügel an und muss doch menschlich punkten
- Aktualisiert: 20.09.2023
- 08:31 Uhr
- Stefan Kumberger
Vor dem Auftaktspiel in der Champions League gegen Manchester United (Mittwoch ab 21:00 Uhr im Liveticker) ist die Anspannung beim FC Bayern groß – obwohl die Ergebnisse bisher stimmen. Thomas Tuchel muss derzeit zwischenmenschlich punkten.
Vom FC Bayern berichtet Stefan Kumberger
Es war ein fast symbolisches Bild, das sich beim Abschlusstraining des FC Bayern am Dienstvormittag den anwesenden Reportern bot: Während die Spieler fast aufreizend locker den Platz betraten und selbst beim Warmlaufen den einen oder anderen Scherz machten, stand Trainer Thomas Tuchel ein wenig abseits und blickte missmutig in den strahlenden Münchner Himmel.
Die ausgelassene Stimmung seiner Spieler vor dem Auftaktspiel in der Champions League gegen Manchester United (Mittwoch ab 21:00 Uhr im Liveticker) kann sich der Coach derzeit nicht leisten – und gönnen will er sie sich auch nicht. Neben seiner anhaltenden Enttäuschung über den verkorksten "Deadline Day" und den entsprechend kleinen Kader, muss sich Tuchel mittlerweile auch mit der Unzufriedenheit einzelner Spieler beschäftigen.
Da wäre zum einen Joshua Kimmich, der nach seinem "nur" 60-minütigen Einsatz gegen Leverkusen nicht wirklich glücklich wirkte. Darauf angesprochen antwortete der Mittelfeld-Star den Reportern nur: "Fragt den Trainer".
Zwar war in Kimmichs Antwort keinerlei Verbitterung oder Aggression zu hören, doch um den bayerischen Frieden zu bewahren, hätte er sich auch der Version des Trainers anschließen können.
Die besagte nämlich, dass nach Kimmichs Verletzung eine nur begrenzte Einsatzzeit mit der medizinischen Abteilung abgesprochen gewesen sei. So aber hinterließ der Führungsspieler den Eindruck, als gebe es einen Dissens zwischen ihm und dem Trainer.
Nach ran-Informationen ist der Austausch zwischen Kimmich und Tuchel durchaus von mancher Diskussion geprägt. Doch die Zusammenarbeit verläuft stets respektvoll und fair. Von einem Zerwürfnis kann keinesfalls die Rede sein.
Das deckt sich auch mit Tuchels Aussagen bei der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Manchester United. Er machte nochmal deutlich, dass der Auswechslung von Kimmich eine klare Abmachung vorangegangen sei.
Kane: Keine Spezial-Behandlung unter Tuchel
"Wenn 60 Minuten vereinbart sind, halten wir uns daran. Sonst brauchen wir es nicht vereinbaren. Jo hatte dann tatsächlich nach dem Spiel Probleme und im Training Schmerzen. Ich denke, wir haben alles richtig gemacht. Dass Jo immer auf dem Feld bleiben möchte und dann voller Adrenalin im Spiel Abmachungen vergisst oder durch den Schmerz durchspielen will, ist auch verständlich und nachzuvollziehen", so der 50-Jährige.
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Thomas Tuchel macht möglichen Nörglern Ansage
Tuchel, der in den letzten Wochen und Monaten ohnehin eine gewisse Wandlung durchgemacht hat, meistert mit solch smarten Aussagen derzeit noch die zahlreichen zwischenmenschlichen Herausforderungen. Aber er wandelt dabei auf einem schmalen Grat. Schon zum Ende der vergangenen Saison äußerte er sich vermehrt kritisch über seine Mannschaft und auch nach dem Leverkusen-Spiel legte er den Finger in die Wunde.
Dass er in Interviews feststellte, das Team habe seinen Matchplan nicht umgesetzt und eine Erläuterung der Fehler dauere zu lange, dürfte bei seinem Spitzenpersonal nicht gut angekommen sein. Tuchel will aber keine Spieler, die lamentieren. Auch dann, wenn sie nicht spielen.
Mal eine schwierige Entscheidung gegen sich zu bekommen, gehört dazu.
Thomas Tuchel
"Wir brauchen jeden Einzelnen im Kader und jeden Einzelnen in der richtigen Mentalität. Mal eine schwierige Entscheidung gegen sich zu bekommen, gehört dazu. Es gehört dazu, das runterzuschlucken, wenn du bei Bayern München spielst", sagte Tuchel am Dienstag auf Nachfrage von ran und fügte hinzu, dass kein Spieler garantierte Minuten im Vertrag habe. Klare Ansage an mögliche Nörgler!
Matthijs de Ligt hält noch still
Einem Spieler dürfte diese Botschaft besonders gegolten haben: Matthijs de Ligt. Dessen atemberaubender Abstieg vom Abwehrchef zum Bankdrücker beziehungsweise zum Aushilfs-Sechser wurmt den Niederländer.
"Ich mache, was der Trainer will und jetzt waren es in den letzten beiden Spielen etwa zehn Minuten auf der Sechs", sagte de Ligt am Freitag.
Noch hält er still, doch bereits nach der Pleite im Supercup gegen Leipzig hatte der 24-Jährige betont, dass er sich eine eingespielte Abwehrformation wünsche. Dass er davon kein Teil sein würde, hätte sich de Ligt vermutlich nicht träumen lassen.
Tuchel: Deshalb gab es keine Aussprache nach Kimmich-Ausraster
Es rumort in Teilen der Mannschaft, doch dieser Missmut wird von den guten Ergebnissen der letzten Wochen überdeckt. Darauf setzt auch Tuchel – und der kleine Kader erweist sich dabei ausnahmsweise mal als Vorteil für den Coach.
Tuchel hat Erfahrung mit Superstars
Tuchel weiß um den Mythos "Bayern-Kabine". Jenem Ort, an dem seit jeher über das Schicksal eines Münchner Trainers entschieden wird. Doch der 50-Jährige hat Erfahrung im Umgang mit ambitionierten, anspruchsvollen und zum Teil schwierigen Charakteren.
In Paris hatte er es unter anderem mit Neymar zu tun, beim FC Chelsea mit Klub-Boss Todd Boehly und in Dortmund mit Alphatier Hans-Joachim Watzke.
Tuchel: "Je schwieriger die Entscheidungen desto besser der Kader"
Problem: Einen Rückzieher machte Tuchel im Streitfall selten bis nie und zog als Trainer naturgemäß oft den Kürzeren. Und dass gerade beim FC Bayern die Spieler oft am längeren Hebel sitzen, weiß man nicht erst seit dem Scheitern von Carlo Ancelotti oder Niko Kovac.
Kein Wunder also, dass die Laune der Profis am Dienstag besser war als die des Trainers.