Fussball
VfB Stuttgart gegen Arminia Bielefeld: Sebastian Hoeneß und das legendäre DFB-Pokalfinale seines Vaters
- Veröffentlicht: 23.05.2025
- 22:05 Uhr
- Martin Volkmar
Kurz vor seiner Geburt ist Sebastian Hoeneß großem Stress ausgesetzt, weil sein Vater blutüberströmt ein legendäres DFB-Pokalfinale hinlegt. 43 Jahre später kann sich der Kreis für die Familie in Berlin schließen.
Aus Berlin berichtet Martin Volkmar
Es ist der 1. Mai 1982, Feiertag in Deutschland.
Ran müssen am "Tag der Arbeit" allerdings die Fußballer von Bayern München und dem 1. FC Nürnberg, die im DFB-Pokalfinale aufeinandertreffen.
Und vor allem für einen wird es Schwerstarbeit – aber auch ein unvergessliches Erlebnis, das in die Geschichte des deutschen Fußballs eingegangen ist.
FCB-Mittelstürmer Dieter Hoeneß rasselt nach 13 Minuten mit FCN-Verteidiger Alois Reinhardt zusammen, beide erleiden eine Platzwunde am Kopf.
Doch bei Hoeneß können zwei große Pflaster auf der lädierten Stirn die Blutung einfach nicht stoppen, erst in der Halbzeitpause wird die fünf Zentimeter lange Risswunde von Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt geklammert.
Mehr zum DFB-Pokal
Eine Auswechslung, die heutzutage wohl bei einer solchen Kopfverletzung sofort vorgenommen würde, kommt damals nicht infrage – weder für Trainer Pal Csernai ("Dieter, wir brauchen Dich") noch für Hoeneß, der mit einem an einen Turban erinnernden, großflächigen weißen Kopfverband weitermacht.
"Es war ja ein Pokalfinale und wir lagen 0:2 zurück. Außerdem ist man bei einem solchen Spiel voller Adrenalin", berichtete er später.
Dabei stand anscheinend nicht nur seine eigene Gesundheit auf dem Spiel.
Sebastian Hoeneß: Drama bei der hochschwangeren Mutter
"Das eigentliche Drama war ja nicht meine Verletzung, sondern dass meine Frau hochschwanger zu Hause zuschaute", so Hoeneß rückblickend:
"Ich wusste ja nicht, dass Dieter Kürten im ZDF jedes Mal, wenn ich mit dem Turban ins Bild kam, kommentierte, mich auf dem Platz zu lassen, sei unverantwortlich."
Entsprechend außer sich sei seine Ehefrau gewesen: "Die hat da schon eine kleine Schnappatmung bekommen. Das war für sie wohl schon eine ziemliche Belastung. Aber es ist alles gut gegangen, Gott sei Dank."
Elf Tage später wurde sein zweiter Sohn geboren, der am Samstag, 43 Jahre später als Trainer mit dem VfB Stuttgart gegen Arminia Bielefeld ebenfalls den DFB-Pokal gewinnen kann (ab 20 Uhr im ran-Liveticker).
"Sebastian kam gesund auf die Welt und dann war alles okay", erinnert sich der Vater noch einmal im Gespräch mit ran vor dem Endspiel:
"Ich selbst habe das ja im Spiel nicht mitbekommen, dass meine Frau in großer Sorge war – weil ich da selbst ziemlich mitgenommen war."
Externer Inhalt
Sebastian Hoeneß: Rückblickend ging alles gut
Und auch Sebastian Hoeneß hatte im Bauch offenbar nichts davon mitbekommen,
"Ich hoffe, ich sehe nicht so aus, und verhalte mich auch nicht so", meinte der Sohn auf ran-Nachfrage grinsend in der Pressekonferenz am Freitag.
DFB-Pokal: Die unterklassigen Klubs im Pokalfinale - Arminia Bielefeld ist Nummer 15
"Wir Männer können uns das wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Aber wenn du als Frau im neunten Monat schwanger bist und dann sowas mit deinem Ehemann passiert, dann macht das was mit dir. Trotzdem können wir ja jetzt rückblickend sagen, dass alles gut ging."
Dieter Hoeneß wird mit Turban zum Pokalhelden
Und das in doppelter Hinsicht: Denn während es für die Frau und das werdende Kind "keine Folgeschäden gab" (Dieter Hoeneß), stieg der ramponierte Hausherr zum Helden des Endspiels auf.
Dank Hoeneß, der sich weiter in jeden Ball reinwarf und zwei Treffer vorbereitete, drehten die Bayern nach der Pause noch die Partie gegen Nürnberg und der Angreifer selbst krönte seine Vorstellung mit einem Kopfballtor zum 4:2-Endstand.
Der am Boden jubelnde Hoeneß mit dem blutverschmierten "Turban" auf dem Kopf ist eines der ikonischsten Bilder der 90-jährigen Pokalhistorie des DFB.
Auch die Satirezeitung "Titanic" nahm das Bild auf den Titel mit der Schlagzeile: "Auch Männer haben ihre Tage."
Hobbykickerteam "Dieter Hoeneß Hirnverband" – in Bielefeld!
Und ausgerechnet in der Stadt des Gegners am Samstag benannte sich ein Meisterteam der "Wilden Liga Bielefeld" nach dem Bayern-Star "Dieter Hoeneß Hirnverband".
"Natürlich kenne ich die Geschichte zu gut, es ist ja auch eine sehr gute Geschichte", sagte Sebastian dazu am Freitag.
Doch auch abseits dieser legendären Story ist das Spiel im ausverkauften Berliner Olympiastadion in vielerlei Hinsicht für die Familie etwas ganz Besonderes.
"Ich habe eine tolle Zeit gehabt als Spieler und Manager in Stuttgart. Ich bin mit dem VfB aufgestiegen, bin Vierter und Zweiter und 1992 als Manager Deutscher Meister geworden", sagte Hoeneß senior zu ran.
"Es ist also ein Verein, mit dem ich sehr viel Positives verbinde. Aber natürlich ist das jetzt auch durch die Arbeit von Sebastian aufgefrischt worden."
Rückkehr für Sohn und Vater Hoeneß nach Berlin
Doch natürlich spielt auch Berlin eine große Rolle in der Familie, wo Dieter Hoeneß von 1997 bis 2010 als Sportchef bei Hertha BSC tätig war, aber weder den Traum von der Meisterschaft noch von der Teilnahme am Pokalfinale im heimischen Stadion erfüllen könnte.
Und sein Sohn spielte mit Unterbrechungen zehn Jahre für die "Alte Dame", kam aber nie über die zweite Mannschaft hinaus und begann schließlich 2010 nach seiner Spielerkarriere mit 28 Jahren die wesentlich erfolgreichere Laufbahn als Trainer,
VfB Stuttgart: Ultras und DB liefern Schlagabtausch
"Das ist der Extrakick, den das Spiel für mich persönlich hat", sagte er zum Austragungsort.
"Ich war in meiner Zeit in Berlin oft als Zuschauer bei den Endspielen im Stadion und habe es damals schon als ganz etwas Besonderes empfunden und darüber nachgedacht, wie es ist, dabei zu sein. Daher ist mit der Teilnahme ein Traum in Erfüllung gegangen, für mich, den Verein und gesamte Region."
"Sollte der Pokal gewonnen werden, bin ich zu jeder Schandtat bereit"
Es würde sich also ein Kreis schließen, wenn der Sohn nun mit dem Lieblingsverein im einstigen "Wohnzimmer" des Vaters wieder den Pokal in die Höhe stemmen würde.
Doch da blockt Dieter Hoeneß im Gespräch ab. "Der Kreis schließt sich dann, wenn das Spiel gewonnen ist. Und das ist genau meine Sorge. Wenn ich zu viel über das Spiel im Vorfeld rede, dann ist das noch nicht gewonnen", mahnte er.
"Bielefeld ist ein ziemlich harter Brocken, das ist eigentlich eine Zweitliga-Mannschaft. Die darf man nicht unterschätzen, das wird kein Spaziergang. Deswegen bin ich auch sehr, sehr zurückhaltend. Sollte der Pokal gewonnen werden, dann bin ich zu jeder Schandtat bereit."
Lässt sich Hoeneß wie Löw eine Glatze schneiden?
Bleibt die Frage, ob das auch für seinen Sohn gilt. 1997 beim letzten Pokaltriumph der Schwaben, den Sebastian als Talent der C-Junioren des VfB feierte, ließ sich Chefcoach Jogi Löw nach dem 2:0 über Cottbus von den Spielern die Haare rasieren.
Ob sein Nachfolger auf der Bank das am Samstagabend auch machen wird? "Ihr könnt ihn ja fragen, ich traue mich das nicht", sagte Ersatzkeeper Fabian Bredlow vor wenigen Tagen.
Also stellte ran Sebastian Hoeneß nach der Pressekonferenz die Frage. "Nein, das ist nicht vorgesehen und wird auch nicht passieren", so die klare Antwort des Trainers.
Alternativ könnte er sich aber vielleicht als Reminiszenz an seinen auf der Tribüne mitfiebernden Vater - und auch seine Mutter - im Erfolgsfall einen Turban umwickeln lassen.