VfB Stuttgart: Alexander Nübel fährt einmal mehr Achterbahn
Veröffentlicht: 26.08.2023
00:39 Uhr
Chris Lugert
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Alexander Nübel erlebt beim Auswärtsspiel in Leipzig einen am Ende bitteren Abend. Der Torhüter des VfB Stuttgart wandelt zwischen den Extremen - einmal mehr. Einige Hundert Kilometer südlich wurde bereits sein Nachfolger verpflichtet.
Im Fußball reichen manchmal nur wenige Minuten Achterbahnfahrt, um vom Helden zur tragischen Figur zu werden. Alexander Nübel kann nicht erst seit dem am Ende bitteren 1:5 (1:0) seines VfB Stuttgart bei RB Leipzig am 2. Spieltag der Bundesliga ein Klagelied davon singen.
Der Torwart der Stuttgarter war zunächst maßgeblich daran beteiligt, dass sein Team bei den favorisierten Sachsen in Führung lag. Ein kurioser wie schwerwiegender Patzer aber leitete schließlich einen 40-minütigen Horrorfilm ein.
Zunächst war in der Welt des 26-Jährigen alles in Ordnung. "In der ersten Halbzeit machen wir es wirklich richtig gut, zocken da richtig gut raus. In den letzten 15 Minuten der ersten Halbzeit stehen wir vielleicht ein bisschen tief, aber gehen mit 1:0 in Führung", schilderte Nübel nach dem Spiel bei "DAZN".
Die Pausenführung der Stuttgarter ging auch auf Nübels Konto, in der Nachspielzeit parierte er im Eins-gegen-Eins stark gegen Lois Openda. Nach dem Seitenwechsel machte er direkt dort weiter, einen Kopfball von Willi Orban klärte er mit einem Weltklasse-Reflex. Und dann? "Dann kam das dumme Gegentor, wo ich den Benny anschieße. Das hat uns ein bisschen verunsichert. Am Ende ist es sehr bitter, dass du hier 5:1 verlierst. Das tut schon weh", so Nübel.
Was war passiert? Nübel bekam den Ball von seinem Abwehrspieler Dan-Axel Zagadou, Leipzigs Benjamin Henrichs setzte den Torwart unter Druck. Nübel zögerte einen Moment, entschloss sich dann zum langen Schlag. Allerdings war Henrichs bereits zu dicht dran, er blockte den Ball - und die Kugel landete im Stuttgarter Tor.
"Ich will lang spielen auf Serhou [Guirassy; Anm. d. Red.]. Aber er (Henrichs) zieht voll durch und ich schieß ihn an. Es ist natürlich brutal glücklich, dass er dann so reingeht", erklärte Nübel die Situation: "Am Ende muss ich sagen: Schieße ich ihn raus, passiert vielleicht nichts. Das tut schon weh."
Alexander Nübels leitet den Zusammenbruch ein
Mit Nübels Fehler verfiel die gesamte Mannschaft in eine Art Schockzustand. Leipzig hingegen war aus seiner Lethargie befreit und überrollte die von diesem Moment an bedauernswerten Gäste. Auch Nübel selbst hing sein Bock wohl noch in den Kleidern, nur zwei Minuten später konnte er eine eigentlich harmlose Hereingabe nicht festhalten, Openda bedankte sich und schob ein. Nur eine Abseitsposition und der VAR verhinderten den zweiten direkt durch Nübel verursachten Gegentreffer.
Bei den folgenden Gegentoren war Nübel meist machtlos, doch der Schaden war bereits angerichtet. Eine Situation, die Nübel bestens kennt. Der Keeper ist mit unglaublichem Talent auf seiner Position gesegnet, zu Schalker Zeiten galt er als der legitime Nachfolger von Manuel Neuer. Doch dann gab es auch damals schon den anderen Nübel, der eher an "Pannen-Olli" Reck erinnerte. Die Nübelsche Achterbahn eben.
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Nübel neigt immer wieder zu Fehlern
Die Neuer-Nachfolge traute ihm der FC Bayern dennoch zu, der Nübel 2020 ablösefrei verpflichtete. In München jedoch hatte offenbar niemand Neuer selbst darüber informiert, dass er auf Sicht abgelöst werden soll. "Ich sollte eine gewisse Anzahl an Spielen bekommen, die ich nicht bekommen habe", sagte Nübel später. Der damalige Trainer Hansi Flick vertraute komplett auf Kapitän Neuer. Nübel wiederum ging 2021 für eine zweijährige Leihe nach Monaco.
Dort konnte er endlich wieder das tun, was er immer wolle: auf dem Feld zwischen den Pfosten stehen. Nübel war unumstrittener Stammspieler, doch auch bei den Monegassen folgten auf herausragende Leistungen immer wieder Aussetzer. Vor allem in der vergangenen Rückrunde ließen seine Leistungen nach, weshalb Monaco von einer zwischenzeitlich angedachten festen Verpflichtung wieder Abstand nahm.
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Wechsel nach Stuttgart statt Chance ergreifen
Nach seiner Rückkehr nach München fand er eine Situation vor, die für ihn eigentlich eine Chance hätte sein können. Neuer kam aus einer schweren Verletzung zurück, Yann Sommer stand unmittelbar vor dem Abschied zu Inter Mailand. Doch Nübel scheute sich davor, das Duell mit Neuer nach dessen Genesung zu suchen. Intern, so hieß es, sei man deshalb mit Nübels Einstellung unzufrieden gewesen.
FC Bayern München: Transfer von Daniel Peretz ist perfekt
Zumindest in den ersten Wochen der Saison hätte Nübel wahrscheinlich im Bayern-Tor gestanden. Er hätte mit starken Leistungen glänzen und eine Kampfansage an Neuer senden können. Doch er entschied sich zu einem erneuten Wechsel, dieses Mal nach Stuttgart. Haben Torhüter mit einem derartigen Mindset das Zeug für ganz oben? Zweifel sind angebracht.
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Daniel Peretz hat Nübel bereits ersetzt
Fast schon ironisch ist es, dass das Spiel in Leipzig an jenem Tag über die Bühne ging, an dem die Bayern den Transfer von Daniel Peretz offiziell verkündeten. Zwischen Peretz und Nübel gibt es durchaus Parallelen. Beide waren bzw. sind zum Zeitpunkt ihres Bayern-Wechsels 23 Jahre jung, beide galten bzw. gelten als große Talente und beide waren schon einige Zeit Stammspieler bei ihrem Ex-Klub.
Peretz soll in München zunächst vom Duo um Neuer und Sven Ulreich lernen und an seinen Schwächen arbeiten, um perspektivisch vielleicht Neuer ersetzen zu können. Also jene Rolle, die auch Nübel hätte einnehmen können, aber nicht einnehmen wollte. Kurz gesagt: Der Rekordmeister hat Nübel bereits ersetzt.
Ob Peretz der neue Neuer werden kann, ist unklar. Nübel jedoch wird es aller Voraussicht nach nicht. Zwar wird er im nächsten Sommer noch einmal zurückkehren, sein Vertrag bei den Bayern läuft noch bis 2025. Aber wer ganz oben angreifen will, der kann keine Achterbahn gebrauchen. Denn in dieser folgt nach einem steilen Aufstieg stets der tiefe Fall - so wie in Leipzig.