Nach der unnötigen Finalpleite gegen Real Madrid ist der Frust beim BVB groß. Warum hat es auch diesmal nicht gereicht? ran nennt die Lehren des Spiels.
Vor elf Jahren sang Helene Fischer, obwohl dem BVB nach der Niederlage im Champions-League-Finale nicht zum Feiern zumute war.
Diesmal verzichteten die Dortmunder von vorneherein auf eine solche Einlage und nach der erneuten Pleite im größten Endspiel des Vereins-Fußballs war das auch besser so.
Denn trotz Disco-Musik beim nächtlichen Bankett im angesagten "Outernet" erinnerte die Stimmung im Londoner Stadtteil Soho eher an eine Trauerfeier.
"Ich finde, wir hätten es verdient", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl, der sich wie viele Spieler nach dem missglückten Höhepunkt der Saison "leer" fühlte:
"Die Enttäuschung ist schon sehr, sehr groß. Wir werden sicherlich ein paar Tage brauchen und werden das erstmal verarbeiten müssen."
Dann werde man aber sicher auch stolz sein auf die gezeigte Leistung, ergänzte der Ex-Nationalspieler, der schon 2013 beim 1:2 gegen Bayern München als Profi dabei war.
Doch warum hat es auch diesmal nicht gereicht? ran hat die Lehren des Spiels zusammengefasst.
1. BVB: Taktik von Edin Terzic geht (fast) auf
Auch wenn es am Ende nicht zum großen Triumph reichte, so hat Edin Terzic auf großer Bühne Eindruck hinterlassen.
Denn der Deutsch-Bosnier, der nach der schwachen Dortmunder Hinrunde stark in der Kritik stand, entwickelte eine überzeugende Strategie gegen den hohen Favoriten.
Statt sich wie etwa in der Bundesliga gegen Leverkusen hinten zu verstecken, suchten die Borussen aus einer stabil stehenden Defensive immer wieder ihr Heil in schnellen Gegenstößen.
Real kam damit in der ersten Halbzeit überhaupt nicht klar und war eindeutig die schwächere Mannschaft. "Ich muss ehrlich sein: Sie waren das bessere Team, hätten 2:0 oder 3:0 in der ersten Halbzeit führen können", gab Jude Bellingham offen zu.
Ähnlich äußerte sich Toni Kroos und ergänzte: "Man muss Dortmund dafür absolut loben, dass sie in der ersten Halbzeit einen sehr guten Plan hatten."
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Terzic: Wechsel zu spät und falsch
Dass auch der als Chefcoach noch junge Terzic Luft nach oben hatte, zeigte dann aber die zweite Halbzeit. Da ging den Dortmundern aufgrund ihres extrem intensiven Spiels nach etwa einer Stunde spürbar die Luft aus.
Terzic reagierte aber nicht durch das Einwechseln von frischen Kräften, speziell um die Defensive wieder zu stabilisieren.
Und auch seine zwei Offensivwechsel nach dem 0:1 gingen daneben, denn statt mehr Druck nach vorne zu entwickeln, kassierte sein durch Emre Cans Herausnahme hinten zu offenes Team das entscheidende 0:2.
"So ist das mit den Champions-League-Finals der letzten zehn Jahre: Man kann sich einen perfekten Plan zurechtlegen, Chancen kreieren und die großartigen Spieler des Gegners unterdrücken, und dann, wenn es darauf ankommt, gewinnt Real Madrid das Spiel trotzdem", fasste es der britische "Telegraph" fatalistisch zusammen.
Daher meinte auch Terzic: "Von der ersten Sekunde an haben wir der ganzen Welt gezeigt, dass wir hier sind, um zu gewinnen. Der einzige Unterschied war, dass sie den Killerinstinkt hatten, der uns gefehlt hat."
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2. BVB: Geschichte wiederholt sich nicht
Ein Überraschungserfolg wie 1997 gegen das übermächtig scheinende Juventus Turin hätte eigentlich bestens ins Bild gepasst.
Denn die Parallelen zum weiterhin einzigen Dortmundern Triumph in der Königsklasse war schon frappierend, vor allem der Erfolgszug gegen Europas Topteams nach einer enttäuschenden Bundesliga-Saison.
Stattdessen jubelten am Ende zum 15. Mal die "Königlichen", weil sie den BVB nach der Pause quasi mit den eigenen Mitteln austricksten.
"Eigentlich haben sie so ein Spiel gespielt, wie wir uns das vorgenommen hatten: Mit einem Standard das 1:0 zu erzielen und dann mit einem Konter vielleicht das 2:0 setzen", analysierte Terzic.
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Doch im Gegensatz zum 3:1 gegen Juve vor 27 Jahren, als die erfahrenen Borussen das Finale mit einer fast hundertprozentigen Chancenauswertung auf ihre Seite zogen, zahlten die weit weniger erfahrenen Nachfolger schmerzliches Lehrgeld.
Denn mindestens eine der vier Dortmunder Großchancen in der ersten Halbzeit hätte drin sein müssen, um den Coup tatsächlich zu schaffen.
„Sie hätten 2:0 oder 3:0 führen können. Aber sie haben uns nicht gekillt, so konnten wir zurückkommen", fasste es Bellingham richtig zusammen.
Brandt frustriert über billiges Real-Führungstor
Zumal die Defensive am Ende auch ihre vorherige Kompaktheit und Ordnung etwas verloren hatte.
Was sich vor allem beim letztlich entscheidenden 1:0 zeigte, als in Dani Carvajal ausgerechnet der kleinste Real-Profi einköpfen konnte.
"Du kassierst billig das 1:0. Real hat gezeigt, wie man Standards verteidigt. Und wir lassen Carvajal in der einen Situation laufen. Er steht frei und köpft aufs Tor", ärgerte sich Julian Brandt zu Recht.
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3. Füllkrug ist nicht Riedle
Niclas Füllkrug zeigte gegen die Routiniers in der Real-Abwehr eine ordentliche Leistung, war immer anspielbar und half auch hinten aus. Beim 0:1 gegen Carvajal kam er zwar zu spät, aber der Stürmer war auch nicht alleine zugeordnet.
Ärgern wird sich der Nationalstürmer aber sicherlich darüber, dass er seine beiden Großchancen vergab. In der ersten Halbzeit traf er, allerdings aus abseitsverdächtiger Position, nur den Pfosten, nach der Pause zielte er nach einem Konter zu unplatziert und scheiterte an Real-Keeper Thibaut Courtois.
Im Vergleich zu seinem Vorgänger von 1997, Karlheinz Riedle, am Samstag der maßgebliche Unterschied. Denn der seinerzeit bereits nach Italien-Erfahrung und zig Länderspielen extrem abgezockte Torjäger verwandelte gegen Juventus seine ersten beiden Chancen eiskalt, was das damalige Endspiel letztlich entschied.
"Wir hätten uns unsterblich machen können", wusste Füllkrug. So aber wird er zumindest vorerst nicht in Riedles Fußstapfen treten.
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Auch Adeyemi hätte treffen müssen
Und auch Karim Adeyemi hätte zum BVB-Helden werden können, wenn er freistehend vor Courtois die Führung erzielt hätte.
Sicher, der noch junge Flügelflitzer ist kein Torjäger. Aber vielleicht kann er sich in der Zukunft ein paar Tipps beim neuen Sportchef Lars Ricken holen, der mit seiner ersten Ballberührung 1997 den 3:1-Endstand erzielte.
"Wir haben ein tolles Spiel gemacht und es soll kein Vorwurf sein, aber von den vier Dingern müssen wir mal eine machen", meinte Mats Hummels.
Und Brandt ergänzte: "Wir hatten sie echt an der Wand, aber das bringt alles nichts, wenn du die Chancen nicht machst."
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Nicht wenige hatten nach der enttäuschenden Saison in der Bundesliga mit sieben Niederlagen und gar 27 Punkten Rückstand auf Meister Leverkusen die Qualitätsfrage gestellt.
Doch die Leistungen in der Champions League und vor allem der bärenstarke Auftritt in der ersten Halbzeit bewiesen, dass der BVB über eine Mannschaft auf Augenhöhe mit den weltbesten Teams verfügt.
"Es klingt bescheuert, aber ich bin richtig stolz auf die Mannschaft. Wir sind mit Mut und Herz aufgetreten und haben fußballerische Klasse gezeigt, bei all den tollen Angriffen, die wir gefahren haben", erklärte Hummels nach dem Abpfiff.
"Wir haben gezeigt, dass wir gegen die Besten der Besten mithalten können", meinte auch Kobel: "Ich hoffe, dass jeder extrem viel Selbstvertrauen aus dem Jahr zieht und wir in der Zukunft das Vertrauen in uns haben und die Gier entwickeln, dass wir immer wieder in solchen Spielen spielen wollen. Das ist in den letzten Jahren nicht immer passiert, gerade in der Hinrunde der letzten Saison."
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Terzic sieht klaren Auftrag für die Zukunft
Diese Erkenntnis müsse man in Motivation für die Zukunft umwandeln, sagte Terzic daher: "Das ist der klare Auftrag."
Das Gerüst der Mannschaft steht jedenfalls mit Kobel, Nico Schlotterbeck, Julian Ryerson, Emre Can, Brandt, Marcel Sabitzer und Füllkrug.
Darauf lässt sich aufbauen, wenn potenzielle Abgänge wie Hummels sowie die ausgeliehenen Ian Maatsen und Jadon Sancho dank der von Vereinsboss Hans-Joachim Watzke angekündigten Transferoffensive kompensiert werden.
Terzics Fazit: "Ich glaube, dass man heute eine BVB-Mannschaft gesehen hat, wie man sie sich wünscht. Wir haben 100.000 Menschen nach London gelockt mit dem Glauben, das Spiel zu gewinnen. Und das haben wir gezeigt und wollen wir für die Zukunft mitnehmen."
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Umso bitterer, dass der 35-Jährige am Ende seine zweite Niederlage in einem Champions-League-Finale hinnehmen musste. Noch bitterer, dass Hummels nun sogar ein verdienter großer Abschied von den BVB-Fans verwehrt bleiben könnte.
Denn es ist gut möglich, dass der Routinier den Verein verlässt, um nochmal im europäischen Ausland eine neue Herausforderung zu suchen.
Hummels ließ seine Zukunft auch nach dem Spiel offen, will sich nun in Ruhe Gedanken machen.
"Ich habe keine Ahnung, was bei mir im Juli passiert. Es fühlt sich komisch an, das nicht zu wissen. Das wird in den nächsten Wochen entschieden", sagte er.
Sollte er sich tatsächlich zum zweiten Mal aus Dortmund verabschieden, wäre ihm ein wie auch immer gearteter würdiger Rahmen zu wünschen.