Europameisterschaft
DFB: Bundestrainer Julian Nagelsmann will Klarheit über Vertrag nach EM 2024 - Status quo, Optionen, Stimmen
- Aktualisiert: 22.03.2024
- 11:00 Uhr
- Daniel Kugler
Dem DFB stehen wichtige Vertragsgespräche mit Bundestrainer Julian Nagelsmann bevor. ran zeigt, wie der Status quo ist und welche Optionen beide Parteien haben.
Bleibt er oder geht er im Sommer?
Vor den Länderspielen gegen Frankreich und die Niederlande beschäftigt den DFB eine Thematik abseits des Sportlichen: Der Vertrag von Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Kurzfristig stehen Gespräche über eine mögliche Verlängerung des Kontrakts über die Europameisterschaft 2024 in Deutschland hinaus an.
ran erklärt, wie der Stand der Dinge ist und welche Optionen der DFB sowie Nagelsmann selbst haben.
Das Wichtigste in Kürze
Wie ist der Status quo?
Der ursprüngliche Plan war, mit Nagelsmann die EM zu bestreiten und danach über seine Zukunft zu entscheiden.
Wenige Monate vor Turnierstart hat der Bundestrainer nun aber deutlich gemacht, dass ihm diese Perspektive nicht ausreichen würde. Der 36-Jährige will bereits im Vorfeld Klarheit.
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Entsprechend stehen dem DFB in den kommenden Wochen nun kurzfristige und signifikante Vertragsgespräche bevor, die zu einem Ergebnis kommen müssen, bevor überhaupt die sportliche Leistung durch das Abschneiden bei der Endrunde wie eigentlich zuvor geplant in die Bewertung einfließen kann.
Der Verband muss die ausgeklügelte eigene Vorgehensweise nun wohl oder übel über den Haufen werfen und eine Grundsatzentscheidung fällen: Hat man das Gefühl, das Nagelsmann den DFB nicht nur bei der EM zu größeren Erfolgen führen kann, als seine Vorgänger bei den Endrunden zuvor, sondern auch darüber hinaus der richtige Mann ist, um die Nationalelf wieder in die Riege der Top-Nationen und Richtung Titel zu führen?
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Was sagt Nagelsmann zu seiner Zukunftsplanung?
Nagelsmann bereitet die Nationalmannschaft mit Hochtouren auf die Heim-EM vor, seine noch ungeklärte nahe Zukunft ist ihm aber ein mächtiger Dorn im Auge.
"Generell weiß ich, dass ein Jahr Pause nach der EM oder ein halbes Jahr Pause für mich ausgeschlossen ist. Außer es kommt kein Angebot. Aber wenn eins kommt, ist es ausgeschlossen", betonte der 36-Jährige auf einer Fan-Pressekonferenz.
Nagelsmann zeigte sich offen für mehrere Optionen. Für ihn gebe es zwei vorstellbare Varianten: "Verband oder Verein."
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Zuvor hatte der Bundestrainer bereits betont, so schnell wie möglich Klarheit über seine Zukunft bekommen zu wollen. "Es ist für jeden Menschen ratsam, sich um seine berufliche Zukunft zu kümmern", sagte er am Donnerstag vergangener Woche: "Es ist gesund und gehört dazu, sich mit 36 zu überlegen, wie das Leben aus beruflicher Sicht weitergeht."
Mit seinen öffentlichen Aussagen machte der Bundestrainer seine Haltung in den vergangenen Tagen medienwirksam deutlich und erhöhte damit auch ein gutes Stück weit den Druck auf den DFB, nun das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, um an einer schnellen und für beide Seiten zufriedenstellenden Lösung zu arbeiten.
Was sagt der DFB zur Nagelsmann-Zukunft?
Beim Deutschen Fußball-Bund plant man offenbar über die EM hinaus mit Nagelsmann. Eine zeitnahe Vertragsverlängerung soll vom Verband angestrebt sein.
"Die Chemie stimmt", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf auf "SID"-Anfrage und betonte: "Julian hat gesagt, dass er vor dem EM-Turnier gerne Klarheit über seine Zukunft möchte. Einem solchen Wunsch werden wir uns sicher nicht verschließen."
Neuendorf erklärte weiter: "Wir haben den Trainer und den Menschen Julian Nagelsmann beim DFB in relativ kurzer Zeit kennen- und schätzen gelernt. Er identifiziert sich voll mit seiner Aufgabe und mit dem Verband und legt eine große Leidenschaft an den Tag. Er kennt unsere Wertschätzung für ihn."
Die Haltung ist ziemlich eindeutig: Nagelsmann soll auch nach der EM beim DFB weitermachen.
Wie könnte ein neuer Vertrag für Nagelsmann beim DFB aussehen?
Eine Kurzzeitlösung für ein weiteres Jahr dürfte Nagelsmann ohne den direkten Turnierbezug wie im Fall der EM diesmal zu wenig sein. Alles unter einem zwei Jahresvertrag wäre für die persönliche Planung des Bundestrainers aber auch mit Blick auf die WM 2026 in Kanada, Mexiko und den USA überraschend.
Beim DFB zeigt man sich trotz der Zufriedenheit mit Nagelsmanns Arbeit zum Teil noch etwas verhalten aufgrund der schmerzlichen Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit. "Erfolgreiche Trainer schickt man nicht weg", sagte etwa Geschäftsführer Andreas Rettig. Diese Aussage deutet daraufhin, dass der Verband gegebenfalls auf ein Hintertürchen durch eine Vertragsklausel in Nagelsmanns neuem Deal bestehen könnte, das sich auf den Erfolg der Mannschaft bei der EM bezieht.
Die Oberen des DFB hätten etwa aus den kostspieligen Fehlern der Vergangenheit gelernt und würden daher kostspieligen Verträgen ohne Rettungsschirm kritisch gegenüberstehen. Unmittelbar vor dem historischen WM-Desaster 2018 hatte der damalige DFB-Boss Reinhard Grindel etwa verfrüht und folgenschwer mit Bundestrainer Joachim Löw bis 2022 verlängert.
Und auch das Beispiel von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist ein Mahnmal, denn die heute 56-Jährige bekam von Präsident Neuendorf einen neuen Kontrakt, ehe die WM 2023 sich zum Debakel entwickelte. Die Frage ist aber, ob Nagelsmann einer solchen Klausel überhaupt zustimmen würde.
Und weitergesponnen: Wie erfolgreich müsste die bei den letzten Turnieren so massiv enttäuschende deutsche Nationalmannschaft beim Heimturnier sein, damit die Zusammenarbeit für beide Seiten darüber hinaus auch Sinn macht oder auch ein Nagelsmann trotz allgemeiner Zufriedenheit mit seiner Arbeit und seiner Art womöglich bereits verbrannt wäre?
Über die Folgen eines erneuten Ausscheidens in der Vorrunde braucht man an dieser Stelle eigentlich nicht mehr zu sprechen. Aber was ist der beidseitige Anspruch für ein positives Turnierfazit? Ist das Achtelfinale zu wenig? Rechnet man wirklich realistisch mit Viertelfinale, Halbfinale oder gar noch mehr?
Auch diese Fragen werden der DFB und Nagelsmann in den kommenden Wochen klären müssen.
Welche Optionen hat der DFB neben Nagelsmann?
Kurz ausgedrückt: Der DFB hat aktuell wenige adäquate Optionen.
Jürgen Klopp wäre wohl eigentlich der Top-Kandidat bei einem Abgang von Nagelsmann. Nach seinem Aus im Sommer beim FC Liverpool wird dieser aber zunächst ein Jahr Pause einlegen, bevor er seine nächste Trainerstation anpeilt.
Die Aussagen von Neuendorf beweisen aber deutlich, dass man mit Nagelsmann einen Bundestrainer gefunden hat, der die Vorstellungen zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllt. Auch DFB-Direktor Rudi Völler zeigt sich sehr erfreut über die bisherige Zusammenarbeit.
Entsprechend wären die Verantwortlichen des größten Fußballverbandes der Welt alles andere als clever, wenn sie sich nach dem Fiasko mit Hansi Flick jetzt ohne Not die gleiche Baustelle erneut aufreißen würden.
Was aber immer deutlicher wird, ist, dass der DFB Nagelsmann nur mit diesem kurzen Vertrag bis nach der EM überhaupt bekommen konnte. Dass dieser nun aber Planungssicherheit für die nicht allzu ferne Zeit danach haben will, ist absolut verständlich und sollte im Verband eigentlich keinen überraschen.
Hier muss der DFB jetzt schnell in Aktion treten, denn sonst ist es nicht ausgeschlossen, dass Nagelsmann bald auch andernorts unterschreiben könnte.
Würde Nagelsmann den DFB gegenüber einem Verein vorziehen?
Der allgemeine Tenor ist, dass Nagelsmann wieder in einem Verein arbeiten will.
Und die Ausgangslage für den Ex-Trainer des FC Bayern München könnte kaum besser sein. Nagelsmann ist im Sommer einer der begehrtesten Trainer Europas. Zahlreiche Top-Klubs dürften bereits über ihn nachdenken.
Eine Bundesliga-Rückkehr wäre durchaus denkbar, da etwa die Zukunft von Edin Terzic beim BVB alles andere als gesichert wäre. Auch die Gerüchte über ein weiteres Engagement beim FC Bayern München nahmen zuletzt wieder Fahrt auf.
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Aber auch international sind einige Trainerstühle bei Top-Adressen frei. Der FC Barcelona sucht einen Nachfolger für Klub-Legende Xavi, ebenso wie der FC Liverpool wie angesprochen für seine "Heilige Kuh" Klopp. Und auch bei Manchester United steht Erik ten Hag bereits lange in der Kritik.
Nagelsmann hat aber betont, dass er noch kein Angebot vorliegen hat. Dies kann man aber auch als direkten Aufruf an interessierte Teams werten, am besten früher als später auf ihn und sein Management mit einer Offerte zuzukommen, ehe der DFB ihn womöglich in Kürze mittel- bis langfristig an sich bindet.
Noch ist der DFB offenbar in der Pole Position bei Nagelsmann, die Frage ist aber: Wie lange noch?
Wie steht der FC Bayern zu Nagelsmann?
Beim Rekordmeister läuft die Nachfolger-Suche für Thomas Tuchel auf Hochtouren. "Es ist unsere Pflicht, alles einmal zu durchdenken", betonte der neue Sportvorstand Max Eberl gegenüber der "Sport Bild".
Wunschlösung wäre wohl weiterhin Leverkusens Erfolgstrainer Xabi Alonso, aber "auf der Liste tauchen auch ungewöhnliche Ideen auf", so Eberl weiter.
Wird in diesem Zusammenhang auch über eine Nagelsmann-Rückkehr gesprochen? Durchaus nicht ausgeschlossen, wie die Aussagen einer Instanz höher andeuten.
"Ich glaube, da haben ja schon ganz andere gesagt, dass man im Fußball nie etwas ausschließen sollte", erklärte Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen zu einem möglichen Nagelsmann-Comeback gegenüber der "Münchner Abendzeitung".
Wie steht Nagelsmann zu einer Bayern-Rückkehr?
Nagelsmanns Reaktion auf die Aussagen des Bayern-Bosses folgte auf der Pressekonferenz vor den Länderspielen gegen Frankreich und die Niederlande auf dem Fuße: "Ich glaube die Antwort von Jan-Christian Dreesen ist clever. Dinge nie auszuschließen im Fußball, das geht ja im Negativen wie im Positiven. Man sollte also auch nie eine Entlassung ausschließen."
Darüber hinaus betonte der Bundestrainer aber auch, dass ihm die Entlassung im März 2023 bei den Münchnern nicht mehr nachwirken würde.
Die Art und Weise, wie Nagelsmann aber damals beim Rekordmeister von der ehemaligen sportlichen Führung um Sportvorstand Hasan Salihamidzic und den Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn gegangen wurde, sprach er zwar nicht explizit an, deutete aber durch die Blume an, wie er zu einem derartigen Verhalten stehe. "Ich habe eine generelle Meinung, das hat jetzt aber nichts mit Bayern München zu tun, wie man mit Trainern umgeht und was man von einem Trainer erwartet. Und wie man ihm auf der anderen Seite auch den Rücken freihält und ihm die Zeit dafür gibt."
Generell stört den Bundestrainer die Wahrnehmung von Trainern im heutigen Fußball: "Es gibt eine große Diskrepanz dazwischen, welchen Aufwand Vereine für Trainer-Scouting aufbringen und den für Spieler-Scouting. Trainer-Scouting ist bei vielen Vereinen, also bei sehr guten, aber bei vielen nicht so vorhanden wie Spieler-Scouting. Andersrum ist aber immer der erste Satz, wenn man einen Trainer verpflichtet: 'Das ist die wichtigste Person im Verein.' Und das ist skurril, dass man immer die wichtigste Person als erstes rauswirft. Da stimmt schon was nicht."