Fußball
La Liga - FC Barcelona wird Meister: Hansi Flick besteigt Trainer-Olymp und macht Graugänse vergessen - Kommentar
- Aktualisiert: 16.05.2025
- 12:55 Uhr
- Chris Lugert
Hansi Flick ist Meister mit dem FC Barcelona und steht wohl unmittelbar vor einer Vertragsverlängerung. Es ist die logische Konsequenz einer Saison, in der der Deutsche seine Kritiker zum Schweigen gebracht hat.
Von Chris Lugert
Es ist nicht einmal zwei Jahre her, da befand sich die Trainerkarriere von Hansi Flick an einem Tiefpunkt, der selbst den Marianengraben alt aussehen ließ.
Mit 1:4 gingen der damalige deutsche Bundestrainer und die DFB-Elf im September 2023 gegen Japan unter, es war die dritte Niederlage in Folge und der Absturz in die scheinbare Bedeutungslosigkeit, die der deutsche Fußball so noch nie erlebt hatte.
Der DFB zog die Reißleine und feuerte Flick - als ersten Bundestrainer überhaupt. Vorausgegangen waren zwölf Monate, in denen sich Deutschland auf der internationalen Fußballbühne mehrfach blamiert hatte, angefangen mit dem Vorrunden-Aus bei der WM in Katar.
FC Barcelona Meister dank Flick: Fiesta Catalunya statt Graugänse
Zu Hause rückte das Turnier im Nachgang über eine viel beachtete Dokumentation noch einmal in den Fokus - und zwar in keinen positiven. Die Nationalmannschaft als Ansammlung von Einzelspielern, ohne Esprit, ohne Teamgeist - und mittendrin ein Bundestrainer, der über Graugänse redete. Das Image von Hansi Flick war am Boden.
Wohl auch deshalb wurde die Entscheidung des FC Barcelona im Sommer 2024, genau diesen Trainer zu verpflichten, hierzulande mit Häme und Spott begleitet. Kein halbes Jahr werde er im Amt sein, unkten manche.
Inzwischen wurden jene Kritiker, die sich damals zu Experten aufschwangen und von der heimischen Couch und mit der Chipstüte in der Hand sowohl Barca als auch Flick die Kompetenzen absprachen, ganz schön zum Schweigen gebracht.
Die Katalanen sind, drei Spieltage vor Schluss, Meister in La Liga. Und zwar souverän, nicht irgendwie gemogelt. Vier, in Zahlen 4, Siege holte Barca in einer Saison gegen den Erzrivalen Real Madrid, das gab es noch nie. Dazu der spanische Pokal und ein epochales Champions-League-Halbfinale gegen Inter Mailand, das eigentlich keinen Verlierer verdient hatte.
Flick wohl kurz vor Vertragsverlängerung
Flick ist nicht nur immer noch da, Barca ist ob der oben genannten Erfolge so zufrieden mit dem 60-Jährigen, dass eine Vertragsverlängerung bis 2027 laut "Sky" bereits mündlich fixiert wurde.
Kein Wunder, denn was Flick mit seinem ebenfalls belächelten Trainerstab um Marcus Sorg und Heiko Westermann in der katalanischen Metropole auf die Beine stellte, ist faszinierend.
Es ist es die Art und Weise, wie Flick seine Mannschaft taktisch gebaut hat. Bedingungslose Offensive, eine fast schon selbstmörderische Defensiv-Taktik, die selbst in der 90. Minute bei eigener Führung kein Verwalten kennt. Und vor allem: Tore ohne Ende.
Wer den FC Barcelona trainieren will, der muss die Identität des Klubs verstehen. Fußball ist hier mehr als ein Sport. "Mes que un Club" steht nicht umsonst auf den Tribünen des Camp Nou. Es ist Kunst. Ein Gemälde, wie es Leonardo da Vinci gemalt oder ein Gebäude, wie Antoni Gaudi es erschaffen hätte.
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Flick setzt geltende Regeln des Fußballs außer Kraft
Barca ist stolz auf seine fußballerische Identität, die die Fans von den Sitzen reißt. Wer die Spiele des Klubs in dieser Saison verfolgt hat, der empfand schon vor dem Anpfiff Vorfreude auf die nächsten genialen Momente, Spielzüge und Tore.
Das alles ist Flicks Verdienst. Er hat den Fußball der Katalanen nicht neu erfunden, aber er ist bereit, geltende Regeln des Fußballverstandes so weit wie möglich abzulegen und seine Mannschaft mit offenem Visier aufspielen zu lassen. Wer bremst, verliert. Und wer defensiv spielt, ebenso.
In bislang 57 Pflichtspielen in dieser Saison schoss sein Team aberwitzige 167 Tore. Auf der Gegenseite stehen 69 Treffer des Gegners, was ein Hinweis auf das Risiko ist, das Flick bewusst eingeht - es ist aber auch kein Katastrophenwert.
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Der gebürtige Heidelberger ist es, der Lamine Yamal auf das nächste Level gehoben hat. Flick ist verantwortlich dafür, dass der langjährige Mitläufer Raphinha plötzlich wie einer der besten Spieler des Planeten aussieht.
Er übernahm keine fertige Star-Truppe, die er einfach nur verwalten musste und die eine Garantie auf Titel bietet. Barca stellt die jüngste Mannschaft der spanischen Liga, der halbe Kader besteht aus Spielern, die höchstens 23 Jahre alt sind.
Flick bald auf einer Stufe mit Guardiola?
Wo andere Trainer über zu wenige gestandene Profis lamentieren, hat Flick aus der Not eine Tugend gemacht - und einfach konsequent die eigene Jugend ins kalte Wasser geworfen. Der Erfolg ist beeindruckend.
Das Sextuple wie einst beim FC Bayern wird es nicht, aber Flick hat in seinem ersten Jahr in Barcelona bereits eindrucksvoll bewiesen, dass seine Erfolge in München 2020 nicht (allein) auf Corona zurückzuführen waren.
Sondern dass er einer der Toptrainer im europäischen Fußball ist, der einfach die Zeit und die tägliche Arbeit mit seinen Spielern benötigt, um seine Ideen umzusetzen. Das konnte er als Bundestrainer nicht.
Schon jetzt hat er in der Vereinsgeschichte des FC Barcelona seinen Platz im Olymp sicher. Und es könnte durchaus sein, dass er in ein paar Jahren sogar auf einer Stufe mit einem gewissen Pep Guardiola steht. Über Graugänse redet dann niemand mehr.