Internationaler Fußball
FC Barcelona - Jörg Stiel über Marc-André ter Stegen: "Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf"
- Veröffentlicht: 26.06.2025
- 14:59 Uhr
- Christian Stüwe
Marc-André ter Stegen steht beim FC Barcelona offenbar auf dem Abstellgleis. Jörg Stiel, früherer Kult-Torwart bei Borussia Mönchengladbach, ordnet die Situation im ran-Interview ein und erinnert in diesem Zusammenhang an Yann Sommer.
Das Interview führte Christian Stüwe
Die Situation von Marc-André ter Stegen sorgt seit Tagen für Schlagzeilen. Der FC Barcelona möchte den deutschen Nationaltorwart offenbar loswerden, mit Joan Garcia wurde bereits ein potenzieller Nachfolger von Espanyol Barcelona verpflichtet.
Ter Stegen, der 2014 von Borussia Mönchengladbach nach Barcelona wechselte, ist der Kapitän der Katalanen und hat noch einen bis 2028 laufenden Vertrag. Trotzdem sehen die Barca-Verantwortlichen offenbar keine Zukunft für den Keeper, vor allem über den Umgang der Vereinsbosse mit dem jahrelangen Leistungsträger wurde zuletzt viel diskutiert.
Der frühere Schweizer Nationaltorwart Jörg Stiel, der ter Stegen nach seiner aktiven Zeit in Gladbach kennenlernte, ordnet die Situation im Interview mit ran ein und wägt die Möglichkeiten des Torwarts ab.
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ran: Jörg Stiel, Barcelona will Marc-André ter Stegen offensichtlich loswerden, spricht anscheinend nicht mit ihm und hat mit Torwart Joan Garcia von Espanyol Barcelona schon einen möglichen Nachfolger verpflichtet. Ist diese Vorgehensweise von Barca für Sie nachvollziehbar?
Jörg Stiel: Wenn etwas in der Zeitung steht, bedeutet das nicht immer, dass es auch die Wahrheit ist. Dass Barcelona mit Joan Garcia einen jungen, ambitionierten Torhüter aus Spanien verpflichtet, ist einfach der Lauf der Dinge. Ein Verein muss sich weiterentwickeln, ein Verein muss Perspektiven entwickeln. Natürlich können wir jetzt darüber sprechen, ob Marc-André das so verdient hat. Nach allem, was er über die Jahre geleistet hat, mit dem Gewinn der Champions League und den Meistertiteln. Aber das ist gar nicht die Frage. Die Frage ist viel mehr, was ist die Entwicklung, was ist die Veränderung? Ich finde, man kann jetzt nicht einfach den Stab über Barcelona brechen und sagen: Das geht so nicht. Natürlich wollen wir immer alle herausfinden, was im Hintergrund läuft. Aber sind wir wirklich in der Position, uns ein Urteil zu erlauben?
Das Wichtigste in Kürze
ran: Eigentlich nicht…
Stiel: Ich kann nur lesen, was geschrieben wird. Aber wir wissen nicht genau, wie die Situation ist. Ich habe noch nicht aus dem Mund von Marc-André gehört, dass Barcelona ein schlechter Verein ist oder dass er schlecht behandelt wird. Jetzt geht es vor allem darum, wie er mit der Situation umgeht. Marc-André hat gute Chancen, nächstes Jahr als Deutschlands Nummer eins die WM zu spielen. Ich bin mir auch sicher, es gibt viele Vereine auf dieser Welt, auch die Top-Vereine in Europa, die gerne einen Torwart wie Marc-André zwischen den Pfosten hätten. Weil er über so viel Qualität verfügt, auch über menschliche Qualität. Zeiten beginnen, Zeiten enden. Und dann geht ein neues Kapitel auf, auch das ist Fußball.
ran: Also würden Sie ihm zu einem Wechsel raten?
Stiel: Ich rate ihm zu gar nichts. Ich bin nicht in der Position, ihm einen Rat zu geben (lacht). Aber ich denke, er wird die Situation spüren. Vielleicht ist jetzt einfach der Moment gekommen, an dem er Abschied nehmen muss von einer Welt, in der er seit elf Jahren gelebt hat. Und dann beginnt ein neues Kapitel. In diesem Zusammenhang möchte ich an Yann Sommer erinnern. Wer hätte gedacht, dass er nach seiner Zeit bei Bayern München zwei so grandiose Jahre bei Inter Mailand verbringen würde? Das ist ein Beispiel dafür. Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf. Mit den Qualitäten, die Marc-André hat, muss er sich nicht scheuen, einen Schritt woandershin zu gehen.
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ran: Sie haben ter Stegen in ihrer Zeit in Mönchengladbach kennengelernt. Was denken Sie, wie er mit der Situation umgeht?
Stiel: Als ich ihn kennengelernt habe, war er 17 Jahre alt. Und der Marc-André von heute ist wahrscheinlich ein anderer, als er mit 17 Jahren war. Nach allem, was er erlebt hat. Die Erfahrungen, die wir machen, verändern uns. Um ihn wirklich zu kennen, um zu sagen, wie er tickt, braucht es etwas mehr als ein gemeinsames Trainingslager in Österreich vor vielen Jahren. Aber ich bin mir sicher, dass sein Charakter, den ich damals kennengelernt habe, gleich geblieben ist. Und der ist top bei Marc-André.
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ran: Sie haben vorhin schon die WM 2026 angesprochen. Um die Nummer eins im DFB-Team zu sein, braucht ter Stegen Spielpraxis. Spricht auch das für einen Wechsel?
Stiel: Das ist wieder die Frage. Versucht er, sich bei Barcelona durchzusetzen? Oder sagt er, jetzt ist die Zeit gekommen, ein neues Kapitel zu beginnen? Er hat vermutlich genug Berater um sich herum, um diese Entscheidung zu treffen. Aber für mich ist klar: Wenn er spielt, wird er die Nummer eins in Deutschland sein.
ran: Nochmal zurück zum FC Barcelona. Marc-André ter Stegen war jahrelang Aushängeschild und Kapitän des Vereins. Müsste ein so verdienter Spieler nicht besser behandelt werden?
Stiel: Wie schon zu Beginn gesagt: Haben wir einen Beweis dafür, dass sie ihn schlecht behandeln? Wir wissen es nicht, ich kann es nicht sagen. Er ist natürlich ein verdienter Spieler. Er ist ein eher zurückhaltender Typ, der immer mit Leistung für sich gesprochen hat. Ich glaube nicht, dass sich daran etwas ändern wird. Das sind alles Nebengeräusche, die zumindest mich nicht interessieren. Wir wissen alle, wie schnell es im Fußball geht.
Ich habe vier Jahre für Grasshopper Zürich gearbeitet, jetzt bin ich nicht mehr da und es geht dort genauso weiter. Ich bin niemandem böse. Warum auch? Der Verein hat mir sehr viel gegeben und ich habe versucht, mein möglichstes dem Verein zu geben. Ob es nun um Grasshoppers und mich geht oder um Marc-André und Barcelona, so etwas wird es immer wieder geben. Vielleicht treffen sich auch Barcelona und Marc-André wieder. Über seine Qualität brauchen wir sowieso nicht zu sprechen, er ist einer der besten der Welt. Und wenn er dann im Sommer wieder zwischen den Pfosten stehen sollte, ist sowieso alles vergessen, worüber jetzt gesprochen und geschrieben wird. So ist das im Fußball immer wieder.