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DTM: Norbert Haug spricht Klartext zu Max Verstappen, Reverse Grid, Rennen in Berlin & Co.
- Aktualisiert: 25.07.2025
- 13:10 Uhr
- Motorsport-Total
Norbert Haug ist ein Unikat der DTM. Im Interview spricht der 72-Jährige über die Zukunft der Rennserie.
Kaum jemand kennt die DTM besser als Norbert Haug: Schon als Mercedes-Motorsportchef ließ der Schwabe von 1990 bis 2013 kein DTM-Rennen aus, aber auch seitdem ist er aus dem Fahrerlager nicht wegzudenken.
Der 72-Jährige, der die DTM bereits mehrmals gerettet hat und inzwischen als Unternehmensberater tätig ist, setzt sich bis heute mit Herzblut für die Traditionsserie ein, auch wenn das manchmal klare Worte erfordert.
Das beweist er im ausführlichen Interview mit "Motorsport-Total.com", bei dem Haug vor politischen Aussagen nicht zurückschreckt und klarstellt, warum Automobil und Nachhaltigkeit für ihn kein Widerspruch sind.
Außerdem erklärt er, warum der "mehr als alberne" Umgang mit Formel-1-Star Max Verstappen auf der Nürburgring-Nordschleife eine Chance für die DTM sein könnte, wieso er Abt und Timo Glock nicht abschreibt und wie er das DTM-Format trotz richtiger Schritte des ADAC ordentlich auf den Kopf stellen würde.
Frage: "Herr Haug, Wir haben Halbzeit in der DTM-Saison 2025. Wie sieht bisher Ihr persönliches Fazit aus?"
Norbert Haug: "Ich kann durchaus etliche positive Punkte in der Weiterentwicklung dieser Rennserie mit ihren klangvollen drei Buchstaben und einmaligen Historie erkennen. Dem ADAC ist zu danken, dass er diese Aufgabe in Zeiten, in denen Bremsen vermehrt über Gasgeben geht, übernommen hat. Mit dem Ziel, die DTM nach Jahren mit Irrungen und Wirrungen in eine zukunftsträchtige, weil zeitgemäße Richtung zu steuern. Steigende Zuschauerzahlen vor Ort wie an den Endgeräten dieser Welt sind der Lohn dafür. Viel wurde bereits erreicht, viel bleibt noch zu tun."
Haug hofft auf DTM-Entscheidung in letzter Kurve
Frage: "Lucas Auer führt in der Meisterschaft, aber auch die Ex-Champions Thomas Preining und Rene Rast sowie der starke Grasser-Rookie Jordan Pepper und der extrem konstante Maro Engel sind ihm dicht auf den Fersen. Wer ist Ihr Tipp für den Titel?"
Haug: "Ich müsste wahnsinnig geworden sein, würde ich einen ernstzunehmenden Meisterschaftstipp abgeben. Einen Wunsch gibt es von mir aber sehr wohl: Entscheidung im letzten Rennen in der letzten Kurve. Wer glaubt, das gäbe es nur im Traum, den erinnere ich gerne an die letzten 500 Meter der Formel 1-Weltmeisterschaft 2008."
Frage: "Abt tut sich nach dem Markenwechsel von Audi zu Lamborghini schwer, obwohl man mit Mirko Bortolotti den amtierenden Champion an Bord hat. Haben Sie erwartet, dass sie Zeit brauchen werden, um mit dem 'Lambo' in die Gänge zu kommen?"
Haug: "Sie machen da in der Tat eine zutreffende Beobachtung. Aber es ist Saisonhalbzeit, und in der zweiten Saisonhälfte kann eine dazu fähige Mannschaft mehr als doppelt so viele Punkte holen als bis dato. Und Abt hat diese Mannschaft. Erst am Schluss wird zusammengezählt, das ist in der DTM nicht anders als im richtigen Leben."
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Frage: "Auch Timo Glock hat bei seinem DTM-Comeback nach drei Jahren einen schwierigen Einstand, es gab stets Diskussionen um sein Fahrzeug. Wie sehen Sie seine Situation?"
Haug: "Aller Anfang ist schwer - und manchmal auch quer, wie der geneigte Beobachter der DTM-Bilder aus Zandvoort sehen konnte. Ich bin hoffnungsvoll, dass Timo in dieser Saison noch für Höhepunkte sorgen wird."
Frage: "Dieses Jahr wurden in der DTM am Sonntag zwei Stopps eingeführt. Hat sich das Ihrer Meinung nach bewährt und würden Sie es begrüßen, wenn in Zukunft auch am Samstag zwei Pflichtstopps kommen?"
Haug: "Zwei Stopps gab es in der früheren DTM auch schon. Und sie waren bei den Sonntagsrennen nun durchaus wieder das Salz in der Suppe. Das Finale der letzten Runden sonntags am Lausitzring mit drei Fahrern und drei Marken hatte inklusive der großartigen Bilder aus der Flugdrohne das Zeug für die DTM-Historienbücher. Und das will was heißen, bei der Historie dieser Rennserie mit ihren Spannungsmomenten während mittlerweile über 40 Jahren. Samstags kann es aus meiner Sicht bei einem Stopp bleiben. Das macht den Sonntag anders als den Samstag - und das ist gut so."
Haug hofft auf DTM-Start von Max Verstappen
Frage: "Rund um Zandvoort und den Norisring sahen einige Teams die Performance-Stopps wegen potenzieller Unfälle in der Boxengasse als Sicherheitsrisiko. Wie sollte man damit umgehen?"
Haug: "Wie der Norisring direkt nach Zandvoort gezeigt hat, wurde vom veranstaltenden ADAC sofort reagiert. Ein reduziertes Geschwindigkeitslimit in den Boxen wurde seiner Absicht gerecht. Ungefährlich wird Motorsport niemals sein. Aber Gefahren sinnvoll zu minimieren, ist dabei die wichtigste Aufgabenstellung, die nie erledigt sein wird."
Frage: "Max Verstappen nutzt auch als Jungvater jede Gelegenheit, um im GT3-Auto zu sitzen. Und er hat bei seiner Nordschleifen-Testpremiere mit Topzeiten geglänzt. Wie sehen Sie seine GT3-Gastauftritte und wäre es nicht naheliegend, dass er durch seine Emil-Frey-Connection auch mal einen DTM-Gaststart absolviert?"
Haug: "Zunächst finde ich es mehr als albern, dass Max Verstappen ein Nordschleifen-Permit nachweisen muss, um dort in Rennen startberechtigt zu sein. Ich schlage vor, in die Bestimmung einzuführen, dass diese Prüfung ab vier Weltmeistertitel ersatzlos gestrichen wird. Max Verstappen ist ein Renntier im allerbesten Sinne. Der ADAC und DMSB sollten ihm den Tausch vorschlagen: Nordschleifen-Permit-Prüfung entfällt, dafür Gaststart in Zandvoort 2026. Die Zusatztribünen vom Formel-1-Rennen könnten dann gleich stehen bleiben."
Frage: "Glauben Sie, dass er das macht und wie würde er sich schlagen?"
Haug: "Ich glaube, er würde das nur zu gerne machen, sobald sich die Gelegenheit, natürlich in erster Linie vertragsseitig, ergeben würde. Aber Red Bull liebt traditionell die DTM und engagiert sich dort aus gutem Grund schon seit ewigen Zeiten. Und wenn Franz Herrmann in der DTM startet und Max Verstappen in der Formel 1, kann Red Bull gleich eine zweite Fan-Kollektion auflegen, die garantiert reißenden Absatz finden würde. Dass Franz Hermann beim Gaststart keinesfalls Zweiter werden wollte, daran zweifle ich keine Sekunde."
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Frage: "Mercedes-AMG arbeitet gerade an einem GT3-Nachfolger, allerdings ohne Langzeitpartner HWA. Was halten Sie von diesem Projekt?"
Haug: "Zweifellos eine ausgesprochen herausfordernde Aufgabenstellung, und aus meiner Sicht in ihrer Gesamtheit komplexer, als in der Formel 1 ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen. Schon aus nostalgischen Gründen wünsche ich mir natürlich, dass diese perfekt gelöst wird und der Nachfolger nahtlos an die Erfolgsserie seiner beiden Vorgänger der letzten 15 Jahre anknüpfen kann."
Haug: Wie die DTM nachhaltiger werden könnte
Frage: "Der ADAC bastelt am Kalender für die kommende Saison. In den vergangenen drei Jahren blieben die Strecken unverändert. Sollte man dem Weg, sich auf den Raum Deutschland zu konzentrieren, treu bleiben oder würden Sie gerne andere oder internationalere Strecken in der DTM sehen?"
Haug: "Ich sehe mehr denn je die Kosten und die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Beide sind überlebenswichtig, besonders für die DTM. In einem Land, in dem zwar mehr Auto gefahren wird denn je, in dem aber minderheitliche Kreise umso lautstärker gegen den individuellen Verkehr außerhalb von Fahrrad und Lasten-Fahrrad Sturm laufen. Da nutzt es wenig, in Erinnerung verklärt zu sagen, 'früher fuhren wir ja auch in ...' Früher war früher und heute ist heute.
Ginge es nach mir, würde ich Fahrzeiten deutlich kürzen, nur eine Freie Trainingssitzung pro Rennwochenende einplanen, dazu ein zehnminütiges Qualifying mittags um 12 Uhr, anderthalb Stunden vor dem Samstagsrennen. Und dann am Sonntag in umgekehrter Reihenfolge des samstäglichen Zieleinlaufs starten. Nicht um die lärmende Anti-Auto-Fraktion zu besänftigen, sondern um der zeitgemäßen Vernunft Rechnung zu tragen: Weniger Fahrzeit auf der Rennstrecke bedeuten weniger Kosten und weniger Emissionen. Weniger Trainingszeit schafft spannendere Rennen, und spannendere Rennen begeistern mehr Zuschauer.
Zum Thema internationale Strecken: In Deutschland und unmittelbarer Umgebung zu fahren und die internationale Präsenz bei TV und in den verfügbaren Medien weiter zu steigern, muss aus meiner Sicht weiterhin das Rezept für Gegenwart und Zukunft sein. Wer heute Reichweiten der WEC außerhalb der 24 Stunden von Le Mans und der Formel E mit jenen der DTM vergleicht, stellt rasch fest, dass die DTM mit weitem Abstand das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis garantiert."
Frage: "Sollte die DTM auf dem Salzburgring fahren?"
Haug: "Sehr gerne sogar, wenn dort die Sicherheitskriterien erfüllt sind und das Fahrerlager kapazitätsmäßig die DTM beheimaten kann. Das Einzugsgebiet dort ist hervorragend."
DTM in Berlin? Haug ist eher skeptisch
Frage: "Der ADAC möchte Berlin in den DTM-Kalender zurückholen und die temporäre Formel-E-Strecke auf dem Flughafen Tempelhof nutzen. Was halten Sie von dieser Idee und wäre das für die DTM ein guter Schritt?"
Haug: "Wenn das ernst gemeint ist, lässt sich bestimmt ein Norisring-ähnlicher kurzer Kurs auf dem Tempelhof-Gelände aufbauen. Dass sich der bestehende Formel-E-Kurs für ein DTM-Rennen eignet, kann ich mir spontan schwer vorstellen. Aber das ist eine Einschätzung aus der Ferne. Ich war zwar schon mal bei einem Formel-E-Rennen vor Ort, kann dies aber nicht kompetent beurteilen. Berlin als Austragungsort im DTM-Kalender zu haben, wäre jedenfalls ein adretter Gegenentwurf zur aktuell in der Hauptstadt vorgetragenen Idee nach zwölf Tagen pro Jahr, an denen dort Auto gefahren werden darf."
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Frage: "Sie haben immer wieder vor zu hohen Kosten in der DTM gewarnt und Ende 2023 ein Testverbot gefordert. Der ADAC hat reagiert und die Tests stark eingeschränkt. Auch den von Ihnen geforderten synthetischen Kraftstoff gibt es seit diesem Jahr. Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden und was kann man noch tun, damit die DTM in eine gesunde Zukunft geht?"
Haug: "Das hat der ADAC natürlich nicht mir, sondern einer zeitgemäßen Gegenwart und Zukunft dieser Rennserie zuliebe gemacht. Gekürzte Fahrzeiten um pro DTM-Wochenende mindestens 30 Prozent in Stufe eins sollten aus meiner Sicht der nächste Schritt sein. Die DTM braucht nachahmenswerte Alleinstellungsmerkmale und muss nach meiner Einschätzung erkennbar voran gehen. Mit dem Ziel, dass andere GT3-Rennserien weltweit diesen Weg dann auch gehen - und in der Folge natürlich auch die Kategorien GT2 und GT4. Nur so kann die DTM ihrer wichtigen Vorbildfunktion gerecht werden."
Frage: "Ist die DTM aus Ihrer Sicht bereits nachhaltig genug?"
Haug: "Nachhaltig genug ist man aus meiner Sicht so wenig wie siegreich genug."