Eishockey - Bundestrainer Harold Kreis exklusiv: "Wir sind keine Underdogs mehr"
Aktualisiert: 03.04.2024
12:14 Uhr
Christoph "Icke" Dommisch und Felix von den Hoff
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Die Eishockey-WM in Tschechien wirft für Bundestrainer Harold Kreis schon jetzt ihre Schatten voraus. Wir haben exklusiv mit dem 65-Jährigen gesprochen.
Von Christoph "Icke" Dommisch und Felix von den Hoff
Auf seiner ersten Nordamerikareise als Eishockey-Bundestrainer stattete Harold Kreis gemeinsam mit DEB-Sportdirektor Christian Künast den deutschen NHL-Profis einen Besuch ab. Dabei ging es unter anderem um die anstehende Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele 2026. Vom 10. bis 26. Mai will die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Tschechien den silbernen Erfolg aus dem Vorjahr bestätigen.
Im exklusiven ran-Interview spricht Kreis über seine USA-Reise, das Treffen mit den NHL-Stars, die WM-Vorbereitung und die Ziele.
ran: Harold Kreis, Sie sind am Ende einer langen US-Reise. Wie war es denn?
Harold Kreis: Für mich war es unheimlich spannend. Ich konnte in erster Linie die Spiele anschauen. Den Spielern auch mal persönlich die Hand geben, sie kennenlernen. Die meisten habe ich schon gekannt, einige hatte ich noch nicht persönlich kennengelernt. Wie zum Beispiel Lukas Reichel, Philipp Grubauer oder Leon Draisaitl. Insofern war es für mich sehr spannend.
ran: Lukas Reichel hat richtig gestrahlt, als ich ihn nach Ihnen fragte. Also war das auch cool...
Kreis: Es ist nicht so, dass wir gar keinen Kontakt haben. Aber bei der Arbeit, die wir betreiben und bei dem Wunsch, die Spieler zu einer Weltmeisterschaft zu bekommen, zur Nationalmannschaft, ist es wichtig, den persönlichen Kontakt herzustellen. Danach kann man immer noch telefonieren oder texten. Insofern war das für mich sehr wertvoll, hoffentlich auch für die Spieler.
ran: Sie haben Leon Draisaitl jetzt erst persönlich kennengelernt. Meinen Sie, er hat sich gedacht: 'Jetzt wäre es gut, den Bundestrainer mal kennenzulernen, wenn in zwei Jahren Olympia ist? Denn da muss ich schon dabei sein'
Kreis: Das glaube ich nicht. Ich habe einen sehr freundlichen, sehr herzlichen, sehr entspannten Leon Draisaitl kennengelernt. Es war Spieltag, es war morgens. Er hat viel Zeit mit uns verbracht, war auch sehr entspannt. Insofern ist es auch nicht meine Art, einen Spieler in irgendeiner Form unter Druck zu setzen, eine Antwort zu geben. Edmonton will um den Stanley Cup spielen, und das wünsche ich ihm. Daher war es einfach cool, ihn die halbe Stunde kennenzulernen.
ran: Wie wichtig ist dieser Aspekt des 'People Managements'?
Kreis: Wir reisen nicht an mit irgendwelchen Erwartungen. Wir reisen wirklich an mit dem Wunsch, die Spieler zu sehen. Es kann auch sein, dass die Spieler keine Zeit oder nicht die Möglichkeit haben, uns zu sehen. Deshalb war es auch für uns wichtig, sie vielleicht tagsüber vor dem Spiel zu treffen. Anschließend ist es manchmal ein bisschen schwierig. Wir hatten die Gelegenheit, in Washington mit Moritz Seider kurz zu sprechen. Der kam zu uns, trotz der Niederlage. Insofern kommen wir ohne Erwartungen an. Einfach 'Hallo' sagen, und dann reisen wir auch ohne Erwartungen wieder ab.
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ran: Haben denn einzelne Jungs schon was durchblicken lassen?
Kreis: Was sie haben durchblicken lassen, ist die Begeisterung für die Nationalmannschaft. Ich war überrascht, wie sie das verfolgen. Nicht nur die Nationalmannschaft, sondern auch die Liga, die Spieler. Da ist auch Kontakt untereinander. Aber eine verbindliche Zusage haben wir natürlich noch nicht erhalten. Es hängt von verschiedenen Faktoren ab, ob der Spieler möchte, ob der Klub möchte, dass der Spieler geht. Daher gab es noch keine Aussagen in der Richtung.
ran: Das DEB-Team hat 2023 ein famoses Turnier gespielt, hat Silber erholt. War das ein Überraschungserfolg oder eine Belohnung für die Arbeit in den Jahren zuvor?
Kreis: Der Sport ist sehr kompetitiv. Manchmal sind es Zentimeter zwischen Erfolg und Niederlage. Wir standen nach den ersten drei Spielen immens unter Druck. Aber es ist sicher eine Entwicklung, die schon sehr früh begonnen hat mit Marco Sturm, bei ihm die Mentalität innerhalb der Nationalmannschaft und sicher auch bei den Spielern. Sein Anspruch war, nicht einfach ein gutes Ergebnis gegen Top-Länder zu erzeugen, sondern sie auch zu schlagen. Toni Söderholm hat eine hervorragende Arbeit geleistet im Sinne von Spieltaktik, Umsetzung, aggressiver Spielweise. Ich bin hinzugekommen, vielleicht auch mit meiner ruhigen Art, um auch in Phasen, wo es nicht so läuft, die Ruhe zu bewahren. Auch den Spielern Raum zu geben, selber Entscheidungen zu treffen. Natürlich äußern wir den Wunsch, dass wir sie gerne hätten. Aber letztendlich ist es eine Entscheidung der Spieler. Wir werden auch für die kommende Weltmeisterschaft sicher keine Überraschungsmannschaft sein. Die anderen Länder werden vorbereitet sein. Wir sind keine Underdogs mehr. Das muss uns bewusst sein.
Der maximale Erfolg ist der Anspruch
ran: Verändert das eher etwas für Sie als Trainer in der Ansprache an die Jungs? Oder glauben Sie, dass das vor allem bei den Jungs selbst im Kopf etwas verändert?
Kreis: Unser Anspruch ist nach wie vor, maximalen Erfolg zu erzeugen. Aber mit dem nicht zwingend selbst auferlegten Druck, den wir aus der vergangenen Weltmeisterschaft haben, vielleicht auch medial, müssen wir umgehen. Das werden wir auch sicher thematisieren in der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft. Aber unser Anspruch ist es nach wie vor, den maximalen Erfolg rauszuholen. Wie auch immer der aussieht.
ran: Das Viertelfinale ist das Mindestziel, oder?
Kreis: Alle Spieler sind gewillt, alle Spieler sind motiviert. Und die, die jetzt schon in Phase 1 dabei sind, die letztes Jahr dabei waren, die haben natürlich schon diesen Duft und Geschmack des Erfolges in sich. Und wir werden hart daran arbeiten, wirklich eine Top-Mannschaft auf das Eis zu schicken und unsere Top-Leistung auf das Eis zu bringen.
ran: Tim Stützle hat gesagt, dass es für ihn nicht klar sei, dass NHL-Spieler immer dabei sein müssen, denn der Teamgeist wurde im Vorjahr gebildet. Er hat über sich gesagt, dass er nicht zu 100 Prozent davon ausgehen kann, nur weil er 'Ja' sagt, dass der Bundestrainer sagt, dass er kommen soll. Haben diejenigen, die dabei waren, per se einen Vorteil, wenn die sagen: 'Wir sind wieder dabei'?
Kreis: Ich kann mir schlecht vorstellen, wenn Tim Stützle sagt, ich bin dabei, und Ottawa sagt, er ist dabei, dass ich noch lange überlegen muss, ob Tim Stützle dabei ist. Ich nehme das als rhetorische Frage. Er ist eine Bereicherung für jede Mannschaft. Alle Spieler, die hier in Nordamerika spielen, spielen eine wichtige Rolle. Insofern müssen wir schauen, wie wir das handhaben, wenn alle 'Ja' sagen. Unabhängig von Olympia.
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Säulen der Nationalmannschaft
ran: Was ist mit den 'Alten' aus Deutschland? Dominik Kahun, Moritz Müller - sind die in ihrem Alter auch immer noch gesetzt?
Kreis: 'Gesetzt' ist so ein Begriff. Das sind wirklich Säulen der Nationalmannschaft. Moritz Müller hat schon zugesagt, der wird bei Phase 1 dabei sein. Dominik Kahun steht auf der Einladungsliste. Er ist eine Säule der Nationalmannschaft.
ran: Die erste Phase ist schon im Gang. Wie viele Phasen gibt es? Was sind Termine, auf die man als Fan achten kann?
Kreis: Die erste Woche wird ausschließlich in Tschechien verbracht. Da haben wir zwei Länderspiele. Dann sind wir in Augsburg und Kaufbeuren, wir sind in Zell am See und in Garmisch. Und die letzte Phase ist ein Länderspiel in Wolfsburg und Weißwasser. Das sind vier Phasen insgesamt, auch mit kurzen Pausen dazwischen. Ein, zwei Tage frei, um sich neu zu sortieren. Es stehen dann noch Spieler nach dem Viertelfinale, Halbfinale und Finale zur Verfügung. Somit gibt es immer von Phase zu Phase Mutationen in der Mannschaft.
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