Nationalmannschaft
DFB-Team - Luxemburg-Experte Martin Forkel: Darauf muss die DFB-Elf besonders achten
- Aktualisiert: 10.10.2025
- 17:01 Uhr
- Philipp Kessler
Der deutsche Ex-Profi Martin Forkel, heute Trainer in Luxemburgs erster Liga, spricht bei ran über die Stärken und Schwächen des DFB-Gegners sowie seine Erlebnisse als Co-Trainer von Winnie Schäfer.
Von Philipp Kessler
Alles andere als ein ungefährdeter Sieg über Luxemburg am Freitag (ab 20:45 Uhr live auf Joyn) wäre eine Blamage für die deutsche Nationalmannschaft.
Aber ist der "Fußball-Zwerg" tatsächlich der richtige Aufbaugegner, um in der bisher durchwachsenen Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2026 Selbstvertrauen zu tanken? Martin Forkel muss es wissen.
Der 164-malige Zweitliga-Profi und ehemalige deutsche U21-Nationalspieler ist seit Ende 2020 Fußballtrainer in Luxemburg und coacht inzwischen Erstligist Victoria Rosport.
Forkel kennt den dortigen Fußball genau, wie im exklusiven Interview mit ran deutlich wird.
- DFB-Team: Verbandswechsel? Markus Babbel mit klarer Ansage an Nicolo Tresoldi
- FIFA-WM: Präsident Gianni Infantino denkt über Verlegung der Weltmeisterschaft 2034 nach
Der 46-jährige Coburger spricht über das Duell zwischen Deutschland und Luxemburg, warnt die DFB-Auswahl vor zwei Spielern mit Bundesliga-Bezug und schildert seine Erfahrungen seiner bisher recht exotischen Trainerstationen, die er mit und ohne Ikone Winnie Schäfer erlebte.
Martin Forkel vor WM-Quali: Deutschland trifft auf starkes Luxemburg
ran: Herr Forkel, Fußball-Deutschland erwartet gegen Luxemburg ein Schützenfest. Zurecht?
Martin Forkel: Ich würde mir wünschen, dass die Partie enger wird. Luxemburg ist der krasse Außenseiter, das ist logisch. Aber in der Vergangenheit konnten kleinere Nationen immer wieder große ärgern.
Natürlich muss vieles zusammenkommen. Vergleichbar ist das Duell mit einem Pokalspiel. Auch da gibt es regelmäßig Überraschungen. Aus meiner Sicht darf Deutschland gerne gewinnen.
Aber ich würde mich freuen, wenn die Luxemburger das Spiel so lange wie möglich offen gestalten.
Externer Inhalt
FC Bayern: Darum ist Kompany anders - Tom Bischof klärt auf
ran: Wie stark ist Luxemburg?
Forkel: In den vergangenen Jahren hat sich was getan, im März 2024 scheiterte die Nationalmannschaft erst im Playoff-Halbfinale der EM-Qualifikation an Georgien.
Vor zehn, 15 Jahren wurde die Ausbildung verändert. Die Elitespieler des Landes wurden zusammengeholt und gemeinsam trainiert. Immer wieder wurden Vergleiche gegen U14- und U16-Teams aus Deutschland gemacht.
Mittlerweile spielen in der Nationalmannschaft 24 von 25 Spielern im Ausland, teils unter Top-Bedingungen. Fußballer, die hauptberuflich einem "normalen" Job nachgehen, gibt es nicht mehr. Jeff Strasser hat im August das Amt des Nationaltrainers von Luc Holtz, der seit 2010 da war, übernommen.
Das letzte Spiel gegen die Slowakei war auf Augenhöhe, das wurde eher unglücklich mit 0:1 verloren. Und wie Deutschland gegen die Slowakei gespielt hat, wissen wir ja auch… (0:2, Anm. d. Red.)
Leandro Barreiro im Fokus gegen Deutschland
ran: Auf welche Luxemburger sollte Deutschland besonders Acht geben?
Forkel: Ich denke an Barreiro von Benfica Lissabon. Er war auch Teil des vorhin angesprochenen Luxemburger Ausbildungskonzepts. Ihn kennt man von Mainz 05, er ist mittlerweile der Kopf der Nationalmannschaft.
Auch Sinani von St. Pauli ist ein sehr guter Spieler, der torgefährlich ist. Leider ist er gegen Deutschland gesperrt.
ran: Wie fußballbegeistert sind die Luxemburger?
Forkel: Die Euphorie vor dem Spiel gegen Deutschland ist da. Es werden sicherlich einige Luxemburger in Sinsheim sein. Mit Blick auf die heimische Liga ist das Interesse eher geringer. Viele Vereine haben wenige Luxemburger in der Mannschaft, vielleicht fehlt deshalb auch die Identifikation.
Rund um die Spiele gibt es auch nicht so viel Unterhaltung wie in Deutschland. Gefühlt sind die vielen Luxemburger am Sonntag lieber zuhause und essen mit der Familie als im Stadion.
Tom Bischof verrät: Diese Bayern-Stars sind seine Mentoren
ran: Auch deshalb, weil die Liga so schwach ist?
Forkel: Die Liga hat extrem viel Luft nach oben, was die Professionalisierung angeht. Meist sind zwischen 200 und 800 Menschen pro Spiel im Stadion. Bei Spitzenpartien können schon mal 1000 da sein.
Das Niveau würde ich mit den in der Tabelle weiter hinten platzierten Mannschaften der Regionalligen in Deutschland vergleichen. Beim Verdienst gibt es große Unterschiede, es ist aber bei weitem nicht so, dass die Spieler für die Zeit nach der Karriere ausgesorgt hätten.
Martin Forkel über Victoria Rosport
ran: Seit 2022 sind Sie Trainer von Erstligaverein Victoria Rosport, aktuell steht Ihre Mannschaft auf Platz acht der 16er-Liga. Wie kann man sich die Arbeit vorstellen?
Forkel: Ich habe überwiegend Spieler in meiner Mannschaft, die auch noch arbeiten. Der eine ist im Büro, der andere im Außendienst. Das ist ganz normal hier, bei 80 Prozent der Luxemburger Mannschaften ist das der Fall.
Wir trainieren viermal pro Woche und spielen meist am Sonntag. Natürlich kommt es mal vor, dass einer der Spieler kurzfristig absagt. Aber meist ist jeder anwesend.
WM 2026: Diese Teams sind bereits qualifiziert
ran: Acht Ihrer Spieler kommen aus Deutschland.
Forkel: Wir schauen, dass wir Spieler aus dem Regionalliga-Bereich zu uns holen. Kamzic haben wir im Sommer zum Beispiel ablösefrei von Aschaffenburg verpflichtet.
Einige der Spieler sind in der Trierer- bzw. Bittburger-Region verwurzelt. Innerhalb von rund 20 Autominuten ist man von dort in Rosport. Das bietet sich an. Auch ich pendle.
ran: Wie ist die Infrastruktur?
Forkel: Die wenigsten Vereine in Luxemburg haben ein Stadion, wie man es aus Deutschland kennt. Bei uns sieht es eher aus wie bei einem Dorfplatz. Unser Feld ist von einem Campingplatz und einem Fluss umgeben.
Es ist sehr idyllisch. Man kann von hier auch direkt nach Deutschland blicken. Auf gewisse Art und Weise hat das schon Charme und Flair. Und wenn 300, 400 Leute bei Spielen da sind, kommt auch die Stimmung gut rüber.
Co-Trainer von Winfried Schäfer im Iran
ran: Vor Ihrer Zeit in Luxemburg waren Sie Co-Trainer von Winfried Schäfer. Wie kam es dazu?
Forkel: Das ging über einen Bekannten. Winnie war damals im Iran Trainer von Esteghlal. Ich hatte gehört, dass er einen neuen Co-Trainer sucht.
Danach habe ich dreimal mit Winnie telefoniert, bevor er mich im Januar 2019 nach Belek ins Trainingslager eingeladen hat. Dort hat alles gepasst – und ich habe direkt mit ihm bis Mai in Teheran zusammengearbeitet.
ran: Wie haben Sie das Leben im Iran wahrgenommen?
Forkel: Anders. Es gibt dort viele Einschränkungen. Zum Beispiel darf man öffentlich keine laute Musik hören, es gibt keine Diskos und auch Alkohol ist verboten. Zudem gibt es Gebetszeiten, auf der Straße ist viel Militärpräsenz und Frauen haben Kopftuchpflicht.
Auf der anderen Seite habe ich die Einheimischen als extrem gastfreundlich und zuvorkommend erlebt. Ich wurde häufig zum Tee oder auch Essen eingeladen.
DFB-Team: Tom Bischof träumt von WM - Das fordert Nagelsmann vom Bayern-Star
ran: Was war Ihr schönstes Erlebnis mit Schäfer?
Forkel: Da gab es einige Dinge, die ich nie vergessen werde, beispielsweise das Derby im Iran zwischen Esteghlal und Persepolis vor rund 100 000 Fans im Azadi-Stadion.
Nur Männer dürfen ins Stadion. Auch das anschließende Jahr mit Winnie in Abu Dhabi war nicht verkehrt. Dort hatten wir Top-Bedingungen.
„Er ist immer komplett ruhig, er lässt sich nicht verrückt machen."
ran: Was konnten Sie von ihm lernen?
Forkel: Ich habe viel mitgenommen von Winnie, vor allem auch aufgrund seiner Lebenserfahrung. Er ist immer komplett ruhig, er lässt sich nicht verrückt machen.
Er hat mir auf dem Trainingsplatz viele Freiheiten gelassen. Ich konnte die Einheiten planen und er hat die Ansprachen gehalten. Wir haben uns gut ergänzt.
ran: Wenn man auf Ihre bisherige Trainerkarriere blickt, fällt auch Ihre Station von Sommer 2016 bis Ende 2018 im Vietnam auf.
Forkel: Zuvor habe ich die U19 in Saarbrücken trainiert. Da wurde mir spontan gesagt, dass mein Vertrag nicht verlängert wird. Kurze Zeit später habe ich ein Angebot bekommen, nach Vietnam zu gehen.
Ich habe mit meiner Familie darüber diskutiert und gemeinsam haben wir entschieden, dass ich diesen Schritt mache. Aber alleine. Unser jüngerer Sohn war damals 12, der ältere 16. Sie sollten in ihrem gewohnten Umfeld bleiben.
Für die vietnamesische Nationalmannschaft habe ich im Bereich des Co-Trainers für drei Teams gearbeitet: die A-Nationalmannschaft, die U23 und U19. Ich sollte die Teams in Sachen Physis und Taktik voranbringen.
Der erste Vertrag ging für sechs Monate, dann habe ich für ein Jahr verlängert und dann noch mal ein Jahr drangehängt. Aber es war schon sehr ungewohnt, die Familie nur alle fünf Monate zu sehen.
DFB-Team: Wer steht bei WM im Tor? Nagelsmann hat Kontakt zu Neuer
Martin Forkel über seine Erfahrungen als Trainer in Vietnam
ran: Was haben Sie im Vietnam erlebt?
Forkel: In den Umkleiden gab es schon mal keinen Strom. Auch an Klimaanlagen war nicht zu denken. Oben an der Decke hing ein Ventilator, der sich gefühlt nur mit 3 km/h drehte. Die Fußballplätze waren katastrophal hart, sie waren einfach nicht gut.
Und die Spieler lebten wie in einer Kaserne, oft teilten sich drei ein Zimmer. Die Zustände sind nicht wie in Deutschland, wo jeder Spieler seine eigene Wohnung hat. Die Familien der Fußballer in Vietnam bleiben meist in den Provinzen, während die einheimischen Spieler in die Stadt gehen, wo der Verein zuhause ist.
ran: Ihr Vertrag in Rosport läuft im kommenden Sommer aus. Wie geht es weiter?
Forkel: Das wird man sehen. Positiv ist aktuell, dass ich ganz in der Nähe meiner Familie arbeite und zuhause wohne. Aber ich bin offen für viele Aufgaben.