NATIONALMANNSCHAFT
DFB-Team - Markus Babbel: "Die Nominierungen wirkten zuletzt etwas konfus"
- Veröffentlicht: 09.10.2025
- 18:20 Uhr
- Tobias Hlusiak
Sowohl für die A-Nationalmannschaft als auch die U21 des DFB stehen in den kommenden Tagen richtungsweisende Spiele auf dem Programm. Im exklusiven Gespräch schätzt ran-Experte Markus Babbel die Lage ein.
Das Interview führte Tobias Hlusiak
Kann sich die deutsche Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation nach dem Stolperstart wieder fangen?
Die Erwartung ist klar: Gegen Luxemburg am Freitag muss für das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann ein Sieg her, im Idealfall ein überzeugender.
"Das wird für die beiden Spiele der Hauptauftrag sein. Ich erwarte nicht, dass die Mannschaft plötzlich wieder die Sterne vom Himmel spielt. Aber seriöse Leistungen sind wichtig, um die Qualifikation am Ende noch zu schaffen. Das hat man ja selbst in der Hand", sagt ran-Experte Markus Babbel im Interview.
Für den Europameister von 1996 kommt das DFB-Team in der Betrachtung aktuell etwas zu schlecht weg. "So schlecht, wie wir im Moment gemacht werden, sind wir bei Weitem nicht", sagt er.
Deutschland habe viele tolle Einzelspieler, auch wenn andere Nationen noch etwas voraus seien, so Babbel: "Die Aufgabe für Nagelsmann wird nun sein, eine Mannschaft zu formen, die diese kleine Lücke durch Geschlossenheit und Teamspirit schließt."
Im ran-Interview spricht Babbel zudem über die letzten Nominierungen durch Nagelsmann, Positions-Rotationen, Manuel Neuer, die U21, die in diesen Tagen ebenfalls im Einsatz ist, und die Personalie Nicolo Tresoldi.
Das Wichtigste in Kürze
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Markus Babbel: "Jetzt müssen Resultate her"
ran: Herr Babbel, muss man sich Sorgen machen um die deutsche Nationalmannschaft?
Markus Babbel: Ich habe gehört, dass die Stimmung sehr gut ist. Die Spieler sind gut drauf und haben Spaß. Um das wieder auf die Fans zu transportieren, müssen nun Resultate her – irgendwann auch wieder in einer überzeugenden Art und Weise. Das wird für die beiden Spiele der Hauptauftrag sein. Ich erwarte nicht, dass die Mannschaft plötzlich wieder die Sterne vom Himmel spielt. Aber seriöse Leistungen sind wichtig, um die Qualifikation am Ende noch zu schaffen. Das hat man ja selbst in der Hand.
ran: Kann man in Spielen gegen Luxemburg und Nordirland eigentlich irgendwas "gewinnen", oder sind sie zu sehr Pflichtaufgabe?
Babbel: Es geht darum, den leichten Aufwärtstrend aus dem Hinspiel gegen die Nordiren mitzunehmen und daran anzuknüpfen. Der Sieg war unglaublich wichtig, auch für den Zusammenhalt im Team. Ich hoffe, dass der Bundestrainer die Spieler jetzt nicht überfrachtet, sondern einfache Mittel wählt, um sie auf Kurs zu halten. Er selbst hatte angemahnt, dass beim Spiel in der Slowakei die Basics gefehlt hatten. Leidenschaft, Fokus und Robustheit müssen auch gegen die kleineren Gegner in der Gruppe wieder zu sehen sein, dann reicht die individuelle Qualität, um sich durchzusetzen. Und drei Punkte gibt es auch in diesen Spielen zu gewinnen.
ran: Julian Nagelsmann hatte nach dem Aus bei der Heim-EM den Titel bei der Weltmeisterschaft als Ziel ausgegeben. Sehen Sie die Mannschaft auf dem richtigen Weg dahin?
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Babbel: Das oberste Ziel kann im Moment nur sein, sich überhaupt zu qualifizieren. Alles andere sollte man völlig ausblenden. Was dann beim Turnier passiert, ist eine ganz andere Geschichte. Man muss ja auch feststellen: So schlecht, wie wir im Moment gemacht werden, sind wir bei Weitem nicht. Deutschland hat viele tolle Einzelspieler, auch wenn andere Nationen noch etwas voraus sind. Die Aufgabe für Nagelsmann wird nun sein, eine Mannschaft zu formen, die diese kleine Lücke durch Geschlossenheit und Teamspirit schließt. Dann kann man viel bewegen. Ob es dann für den ganz großen Wurf reicht, kann man zu diesem Zeitpunkt seriös nicht voraussagen. Da gehört auch viel Glück dazu. Ich finde aber gut, dass wir einen Trainer haben, der hohe Ansprüche hat und diese auch zum Ausdruck bringt.
ran: Auch wegen einiger Verletzungen scheint Nagelsmann die Balance im Kader noch nicht gefunden zu haben. Er probiert viel aus. Es wirkt, als sei er dauerhaft auf der Suche nach der richtigen Mischung – und das gleich auf mehreren Positionen…
Babbel: Die Nominierungen wirkten von außen betrachtet zuletzt etwas konfus. Ich plädiere dafür, den Jungs Vertrauen zu schenken. Das Beispiel Maximilian Mittelstädt beschreibt es eigentlich ganz gut. Für mich war er zuletzt noch einer der besseren in der Nationalmannschaft, ich hatte das Gefühl, er zerreißt sich für die Mannschaft. Auch beim VfB Stuttgart spielt er eine tadellose Saison. Nun ist er plötzlich gar nicht mehr dabei. Stattdessen ist mit Nathaniel Brown ein Debütant dabei. Das führt natürlich nicht dazu, dass auf derart wichtigen Positionen Ruhe einkehrt.
DFB-Team: Babbel-Kritik an Positions-Rotationen
ran: Mittelstädt hat in der Slowakei in der zweiten Halbzeit sogar Rechtsverteidiger gespielt…
Babbel: Damit tue ich mich schwer. Lass‘ doch die Spieler da ran, wo sie am besten sind. Auch Leon Goretzka und Serge Gnabry haben zuletzt in der Nationalmannschaft auf der Zehn und Rechtsaußen gespielt, obwohl das ganz offensichtlich nicht ihre derzeit besten Positionen sind. Man sollte Spieler nicht ständig ohne Not hin- und herschieben, sondern vielmehr wieder dahin kommen, dass die besten Leute auf ihren besten Positionen spielen.
ran: Die besten Spieler auf ihrer jeweiligen Position spielen zu lassen, schließt laut Matthias Sammer auch Manuel Neuer als Torwart ein. Wie verfolgen Sie diese Debatte?
Babbel: Das ist für mich eine grundlegend andere Diskussion. Dass Manuel der derzeit beste deutsche Spieler ist, steht für mich nicht zur Debatte. Aber er hat eben seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er wurde aus der Nationalmannschaft verabschiedet. Deshalb gehe ich davon aus, dass er sich das gut überlegt hat, um seine Kräfte für den Verein zu bündeln. Er hat mit dem DFB den größten Titel 2014 in Rio bereits gewonnen. Ich sehe keinen Grund, in eine Diskussion einzusteigen, so lange Neuer seine Entscheidung nicht widerruft. Das wäre auch nicht fair gegenüber Oliver Baumann. Der hat als Nummer eins nämlich bislang einen super Job gemacht. Er hat konstant gut gehalten und ist nicht verantwortlich für die derzeitig angespannte Lage. Außerdem haben wir mit Alexander Nübel einen tollen Torhüter in der Hinterhand. Hinzu kommt jetzt noch Noah Atubolu. Ein Keeper mit riesigem Potential, der früher oder später Nationaltorhüter sein wird, wenn er sich weiter so entwickelt. Ich sehe auf der Position des Torhüters keinen akuten Handlungsbedarf, so lange Neuer bei seinem Rücktritt bleibt. Dann würden die Karten neu gemischt.
ran: Auch die U21 spielt in den kommenden Tagen zwei Mal. Wie bewerten Sie den aktuellen Jahrgang im Vergleich zu dem, der im vergangenen Sommer Vize-Europameister wurde?
Babbel: Ich bin sehr angetan von dieser Ausgabe unserer U21. Diese Mannschaft macht richtig Laune, weil unfassbar viele spannende Spieler mit dabei sind. Zu den beiden Partien gegen Griechenland und Nordirland kommen jetzt sogar noch einige Hochkaräter dazu, auf die sich jeder Fan freuen kann. Toni Di Salvo hat wirklich die Qual der Wahl. Es wird für ihn eine schwierige Aufgabe, die richtige Mischung zu finden. Ich bin aber sicher, dass ihm das gelingt und sein Team wieder eine Top-Rolle spielen wird.
Babbel lobt: U21 verfügt über vier herausragende Stürmer
ran: Welcher Mannschaftsteil beeindruckt Sie am meisten?
Babbel: Diese U21 verfügt über vier herausragende Stürmer, von denen jeder in die Startformation geschoben werden kann. Da verfügen wir über herausragendes Potential. Ich freue mich jetzt schon darauf, zu beobachten, wie die Jungs sich weiterentwickeln. Man darf nie vergessen, dass gerade in Jugendteams – und da gehört eine U21 dazu – Spieler auf der Strecke bleiben können, oder überholt werden. Im vergangenen Jahrgang haben wir gesehen, dass einige Spieler zu Beginn der EM-Qualifikation für Furore gesorgt haben und am Ende gar keine Rolle mehr spielten.
ran: Einer dieser Angreifer ist Nicolo Tresoldi. Um ihn gibt es dieser Tage viele Gerüchte, denn er könnte auch für Italien spielen. Ist der DFB in dieser Personalie besonders gefordert, den Spieler möglichst schnell an sich zu binden?
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Babbel: Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass man sich die A-Nationalmannschaft verdienen muss. Ich tue mich brutal schwer mit dem Gedanken, einen Spieler auf Biegen und Brechen einzusetzen, nur weil er eventuell für ein anderes Land spielen kann. Nicolo hat ohne Not ein sehr unglückliches Interview gegeben, mit dem er sich und auch den DFB in die Bredouille bringt. Ich finde, dass man als volljähriger Spieler irgendwann mal entscheiden muss, wohin das eigene Herz geht, für welche Nation man brennt. Dann muss man es aber auch durchziehen und diese Entscheidung ist dann zu akzeptieren und zu respektieren. Das ist übrigens unabhängig vom Fall Tresoldi. Wir sind ja hier nicht im Supermarkt, wo ich mich ständig umentscheiden kann. 'Ach heute kaufe ich mal nicht dieses Fleisch, sondern das andere.' Can Uzun hätte unserer Nationalmannschaft auch sehr gut zu Gesicht gestanden. Aber er sagt eben: 'Ich bin im Herzen Türke, also spiele ich für die Türkei!' Das ist doch völlig in Ordnung. Vor dieser Entscheidung habe ich Hochachtung und wünsche ihm viel Glück.
ran: Ein anderer Senkrechtstarter ist Said El Mala vom 1. FC Köln. Seine derzeitige Situation erinnert verblüffend an die von Lukas Podolski vor 20 Jahren. Trauen Sie ihm eine ähnliche Karriere zu?
Babbel: Der junge hat Potential, ist jung, frech und unbekümmert. Das sieht doch jeder. Wichtig wird für ihn nun sein, dieses regelmäßig und konstant abzurufen. Er bringt etwas mit, das in unserem Fußball schon fast ausgestorben war. In den vergangenen Jahren hat sich der Glaube verbreitet, man müsste den Ball zwangsläufig bis ins Tor passen. El Mala geht aber auch gegen ein, zwei oder sogar drei Gegenspieler ins Dribbling. Und das macht ihm sogar Spaß. Ich finde das toll, weil wir kaum noch solche Spieler haben. El Mala hat mit Lukas Kwasniok einen perfekten Trainer. Der wird ihn fördern, fordern und auf dem Boden halten, damit er keinen Überflieger bekommt.
ran: Tom Bischof ist der erste Bayern-Spieler seit Ewigkeiten, der für die U21 aufläuft. Er hat zuletzt im Verein ein beeindruckendes Startelf-Debüt gegeben. Trauen Sie ihm im Verein und beim DFB ein Jahr des Durchbruchs zu?
Babbel: Wichtig war für ihn, dass er gegen Bremen gezeigt hat, warum ihn der FC Bayern geholt hat. Er hat fußballerisch und körperlich mithalten können, war Dreh- und Angelpunkt im Spiel. Das ist ein super Anfang. Dass es nun nicht einfach wird, Stammspieler zu werden, ist doch klar. Das wusste und weiß Tom aber auch. Der etwas dünnere Kader der Bayern bringt aber automatisch mit sich, dass er seine Spiele bekommen wird. Vielleicht sind das dann nicht die ganz großen Duelle in der Champions League oder die Spitzenpartien der Bundesliga. Das spielt aber gar keine Rolle. Auch als FC Bayern muss man Spiele gegen schwächere Gegner erstmal gewinnen. Ich glaube nicht, dass Vincent Kompany große Magenschmerzen haben wird, Bischof in diesen Spielen einzusetzen. Tom muss man nicht anschieben. Man muss ihn nicht pushen, weil er eine hohe Eigenmotivation hat. Die Spiele bei der U21 sind obendrein Gold wert für ihn. Hier kann er auf seinem Leistungsniveau herausstechen und eine Führungsrolle ausfüllen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Di Salvo ihn gleich zum Kapitän macht. Er bringt alles dafür mit.
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